Kleines Problem

Werdende Väter richten gern sorgfältig das Kinderzimmer ein. Doch früher oder später schlafen sie selbst dort. Unsere Modefotos zeigen es – und unser Autor erklärt, wie es bei ihm dazu kam.

Mich hat heute Früh ein Bär geweckt. Beim Umdrehen im Schlaf hatte ich plötzlich seine Nase in meinem Auge. Ich erschrak nicht, denn ich wache oft neben seltsamen Gestalten auf: der neonpinkfarbenen Schleiereule Glubschi, dem Küken Piepmatz, dem Fohlen Franz oder einem Sorgenfresser namens Flint, der eine Piraten-Augenklappe trägt und einen Reißverschluss als Mund hat. Je nachdem, mit welchem Stofftier meine Tochter abends in ihr Hochbett klettert, verbringe ich die Nacht mit Stoffhunden, Plüschmonstern oder Plastikbarbies. Denn zwischen zwei und drei Uhr ist bei uns Schichtwechsel. Der läuft so ab:

(Lauter Ruf aus dem Kinderzimmer) »PAAAAPAAA!«
(Erschrockener Ruf aus dem Elternzimmer) »Was ist???«
(Halblaut aus dem Kinderzimmer) »KOOOMM MAL!«
(Halbmüde aus dem Elternzimmer) »Warum denn??«
(Gut gelauntes Kind) »Sag ich, wenn du hiiier bist!«
(Müde Vaterantwort) »Hmpf. Ich schlafe noch!«
(Lauter Ruf aus dem Kinderzimmer) »KOMMST DU??«

Um es abzukürzen: Meine Tochter Pippa schläft nicht gern allein. Jede zweite bis dritte Nacht setzt sie sich in den Kopf, dass es bei uns im Elternbett wärmer, gemütlicher und monsterfreier sei als bei ihr. Und die Kleine, gerade sechs geworden, gibt ungern nach. Wir hatten viele nächtliche Debatten über zwei Zimmer hinweg, in denen ich mal sanftmütig argumentiert, mal autoritär befohlen habe, selten erfolgreich. Selbst meine Drohung »Na gut, aber dann ziehe ich gleich ganz in dein Zimmer« konterte sie gelassen mit dem Satz: »Super! Dann musst du meine Spielsachen aufräumen.« In den vergangenen drei Jahren habe ich einige graue Haare bekommen, meine Theorie: für jede dieser Nächte eins. Ich bin es inzwischen leid und gebe gleich auf: Ich schnappe mir spätestens nach dem zweiten »PAAAPAAA!« mein Kopfkissen und gehe rüber. Das unterbricht den Tiefschlaf weniger als alle Erziehungsversuche. Auf halbem Weg im Flur begegne ich meiner grinsenden Tochter.

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Nennen Sie mich einen schlechten Vater, eine Wurst, einen verweichlichten modernen Mann. Dazu sage ich: Jesper Juul, die europäische Koryphäe auf dem Gebiet der Kindererziehung, hat das Problem nicht souveräner gelöst. Abwechselnd wachten er und seine Frau früher am Kinderbett, um den Sohn zum Schlafen zu bringen, erzählte Juul in einem Interview. Seine Lösung: »Wir haben ein größeres Ehebett gekauft.«

Ich habe natürlich probiert, zu dritt mit Mutter und Kind in einem Bett zu schlafen. Die ersten Stunden, bis vier oder fünf Uhr früh, geht das halbwegs. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund drehen sich Kinder im Schlaf wie Geisterkreisel. Besonders wild im Morgengrauen. Dann habe ich erst ein kleines Knie im Rücken und am Ende Pippas Fuß im Gesicht. »Roundhouse Kick« nennt der US-Blog »How to be a Dad« diese Schlafposition von Kindern, benannt nach einem legendären Karatekick des legendären Actionfilm-Schauspielers Chuck Norris.

Das Schlafen im Kinderzimmer hat bei mir eine lange Tradition. Früher bin ich beim schier endlosen Schlafliedervorsingen für das niemals müde werdende Baby auf dem Boden eingenickt und hatte am nächsten Morgen das Ikea-Teppichmuster auf der Wange. Jetzt schlafe ich immerhin schon auf einer Matratze – wenn auch unter einer zu kurzen Prinzessin-Lillifee-Bettdecke. Aber ich fühle mich inzwischen heimisch. Gut, an meinen Wänden hängen Pferdeposter, die Stühle sind mir zu klein, und im Dunkeln trete ich in spitze Fahnenstangen des Lego-Prinzessinnenschlosses. Dafür gibt es hier meistens Schokolade (in Omas Päckchen in der Schublade neben dem Playmobil-Spielplatz), und zum Einschlafen kann ich endlich wieder CDs hören, ohne meine Freundin zu stören – zumindest von TKKG oder den Drei ???.

Man muss das Ganze positiv sehen: Trotz Innenstadtlage auf dem angespannten Münchner Immobilienmarkt kann ich nie sagen, ob ich im Nord- oder im Südflügel meiner Wohnung aufwachen werde. Vier weitere Gründe, mich morgens beim Hinabklettern der rosa Hochbettleiter nicht zu schämen:

1) Ich finde, meine Tochter darf als Kindergartenkind nachts mal Angst vor Schatten haben. 2) Es ist süß, dass sie noch gern bei uns im Bett schläft, in ein paar Jahren werde ich froh sein, wenn sie überhaupt mit uns redet. 3) Wer von uns beiden spät von einer Party nach Hause kommt, geht direkt ins leere Kinderzimmer und weckt den anderen nicht mehr. 4) Gelten getrennte Schlafzimmer nicht immer als eine maßgebliche Ursache funktionierender Langzeitbeziehungen? Auch meine Freundin schläft hin und wieder im Zimmer unserer Tochter – und wirkt zufrieden damit. »Das Raumklima ist besser«, sagt sie. Nur der WLAN-Empfang ist leider schlecht. Die Frage stellt sich natürlich: Wie lange soll das noch so gehen? Liest man sich einige Artikel und Expertenaussagen zum Thema durch, ist das Kind im Elternbett selbst im Grundschulalter keine Seltenheit (in Skandinavien und China sogar die Regel). Aber es wird der Tag kommen, an dem die nächtliche Wanderschaft ein Ende haben muss. Die Einschulung im Sommer wäre ein guter Zeitpunkt. Der Konfrontation blicke ich gelassen entgegen – seit ich den jahrelang verschollenen Schlüssel zu unserem Schlafzimmer wiedergefunden habe.

Fotos: Marek Vogel; Styling: Lale Aktay; Set-Design: Simona Heuberger