SZ-Magazin: Hat Ihre Mutter-Tochter-Beziehung ein Geheimnis?
Katharina Thalbach: Ja, wir lügen wie gedruckt! Na, so schlimm wird’s nicht sein.
Katharina Thalbach: Wir mussten vor allem lernen zu akzeptieren, dass wir zum einen sehr eng, aber auch sehr unterschiedlich sind und jeder sein eigenes Leben lebt. Manchmal gibt es Punkte, wo wir uns treffen, und andere, wo Anna sehr weit entfernt ist von mir. Was uns verbindet, ist Nellie, Annas Tochter, ganz klar.
Anna Thalbach: Wir sind sicherlich keine Familie, die monatelang alles anstaut, um sich dann am Weihnachtsabend an die Gurgel zu gehen. Das schätze ich sehr, weil es in unserem Beruf nicht üblich ist, so direkt zu sein. Damit meine ich: direkt sein, ohne zu verletzen. Ich weiß immer, woran ich bin bei meiner Mutter, und das empfinde ich als familiär.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Ihnen?
Katharina Thalbach: Anna war schon als Kind gern mit vielen Leuten zusammen, ich bin ein Einzelgänger. Anna wird jetzt sicher sagen: Typisch Steinbock! Aber ich würde eher meine Lebensgeschichte dafür verantwortlich machen. Tod der Schwester, als ich sechs war, Tod der Mutter mit zwölf. Ich musste eben früh lernen, allein zu sein.
Anna Thalbach: Kathi ist Realist, ich bin Fantast. Was nicht heißt, dass sie nicht fantasievoll ist. Ich bin viel flatterhafter, Kathi geordneter. Nicht nur äußerlich.
Katharina Thalbach: Schräge Typen sind wir beide. Aber was die banalen Dinge betrifft: Ich bin viel mehr Hausfrau, mag’s gern ordentlich und mach meine Listen. Und ich mochte auch immer gern Mathematik. Anna sammelt viel, kann nichts wegschmeißen – da würde ich eine Macke kriegen. Das ist doch aber alles schön, sagt sie dann. Solange ich denken kann, habe ich versucht, ihr das Aufräumen beizubringen.
Anna Thalbach: Sowohl meine Mutter als auch meine Tochter sind ordentlicher als ich. Gib mir ein Hotelzimmer und es sieht nach fünf Minuten so aus, als würde ich seit zehn Jahren darin leben. Aber darauf bin ich nun wahrlich nicht stolz.
Katharina Thalbach: Anna wäre es sicher lieber, wenn ich mich manchmal mit meinen Kommentaren, auch was die Nellie-Erziehung angeht, zurückhalten würde. Aber ich kann nicht. Da möchte ich mir manchmal die Zunge abbeißen, aber nee, irgend ’ne blöde Bemerkung rutscht mir wieder raus. Anna ist da sehr geduldig mit mir, das rechne ich ihr hoch an.
Wenn Sie streiten, dann laut?
Anna Thalbach: Früher, heute nicht mehr. Außerdem herrscht bei uns das Gesetz des Ältesten. Das heißt aber nicht, dass meine Mutter mich unterdrückt. Ich fühle mich geleitet – und trotzdem frei.
Katharina Thalbach: Sie hält dann lieber einfach die Klappe und macht, was sie will.
Anna Thalbach: Außerdem sehen wir uns nicht ständig, und wenn, versuchen wir die Zeit angenehmer zu nutzen als miteinander zu kämpfen. Wenn ich nichts von Kathi höre, dann weiß ich, sie arbeitet oder macht Rock ’n’ Roll.
Gibt es Themen, die nicht angerührt werden?
Katharina Thalbach: Anna hat sicherlich etliche Verletzungen von mir erlitten, aber die gehören nicht in ein Interview.
Anna Thalbach: Schmerzliche Defizite habe ich mit Kathi aufgearbeitet. Es ist alles ausgesprochen, und man kann das Rad nicht zurückdrehen. Ich finde, Kathi hat einen ganz guten Menschen aus mir gemacht, nur aufräumen kann ich eben nicht. Wenn ihr etwas passieren würde, wäre ich mit ihr im Reinen – bei uns gibt’s keine Leichen im Keller.
Wann ist Ihre Mutter »Kathi« für Sie, wann »Mama«?
Anna Thalbach: Eigentlich ist sie Mama.
Sie haben Ihre Jugend hingegen bei Pflegeeltern verbracht.
Katharina Thalbach: Ja, und ich habe sie bis zum Schluss gesiezt, das sagt alles. Irgendwann habe ich das Gefühl des Alleinseins angenommen und es als angenehm empfunden. Und ich denke, dass sich so ’ne bestimmte Art von Einsamkeit durch alle Weiber in unserem Thalbach-Strang zieht: Bei meiner Großmutter hatte das was mit dem Krieg zu tun, bei meiner Mutter mit Krieg, der Nachkriegszeit und den Berliner Sektoren, und bei mir mit dem Muttertod und der Mauer, bei Anna, dass sie extreme Eltern hatte – mich und Thomas Brasch. Das hat natürlich alles seinen Preis.
Tauschen Sie sich auch beruflich untereinander aus?
Anna Thalbach: Ich stelle meiner Mutter hin und wieder ’ne Fachfrage, umgekehrt kommt das seltener vor.
Katharina Thalbach: Dann reden wir nicht so wie Mutter und Tochter. Ich bin dann nur eine von vielen, die Anna fragt. Auf jeden Fall bin ich keine Instanz. Außerdem spreche ich sowieso viel lieber über Krankheiten.
Thema Männer?
Katharina Thalbach: Da lassen wir den anderen machen, was er will. Aber wenn jemand Anna wehtut, werd ich schon sauer. Und einmal wären wir uns fast in die Quere gekommen. Gott sei Dank hat er sich für keine von uns entschieden. Obwohl er uns beide gut fand. Und mit uns beiden geflirtet hat.
Anna Thalbach: Ich bin vor dir ausgestiegen!
Sie machen es spannend: Wer war der Mann?
Katharina Thalbach: Thomas Auster? Oder wie heißt er?
Anna Thalbach: Paul Auster! »Would you come to the Paris Bar with me?«, hat er gefragt.
Katharina Thalbach: Das passiert uns selten, dass wir den gleichen Mann klasse und sexy finden.
Katharina Thalbach, 53, steht seit ihrem vierten Lebensjahr auf der Bühne, neben ihren Auftritten im Film und am Theater führt sie auch Regie. Anna Thalbach, 34, hatte mit sechs Jahren an ihrer Seite den ersten Bühnenauftritt in Brechts »Mutter Courage«. Zurzeit dreht sie »Der Baader-Meinhof-Komplex«, eine Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers. Sie hat bereits selbst eine elfjährige Tochter: Nellie. Alle drei leben in Berlin.
Anna Thalbach in einem Strickkleid von Lala Berlin. Katharina Thalbach trägt ihren eigenen Nadelstreifenanzug.