SZ-Magazin: Audrey, wie lange spielst du schon Geige?
Audrey Haenni: Mit zweieinhalb Jahren hab ich angefangen. Kurz zuvor waren wir in den Ferien, wo ich auf der Bühne einen Geiger spielen sah. Dann habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich das auch wollte. Sie hat gemeint, dass ich das erst darf, wenn ich nicht mehr in die Windeln mache, und so war ich innerhalb einer Woche trocken.
Warum genau Geige?
Ich weiß auch nicht genau. Ich habe nie daran gedacht, etwas anderes zu spielen.
Wie lang übst du pro Tag?
Meistens so eineinhalb Stunden. Bei einem neuen Stück kann es auch länger werden. Ich übe einfach, dann vergesse ich die Zeit. An der Musikschule Zürich nehme ich Einzelunterricht, Mittwochabends spiele ich im Streichensemble.
Hast du Zeit für andere Hobbys?
Ja, schon. Ich lese, male, mache Handarbeit. Momentan lese ich Die drei Ausrufezeichen, eine Serie wie Die drei Fragezeichen, nur dass es alles Mädchen sind. Das finde ich cooler.
Welche Vorstellungen hast du von deiner Zukunft?
Ich möchte eigentlich Geigerin werden. Nicht unterrichten, sondern als Solistin auftreten. Da freue ich mich schon drauf.
Hast du Vorbilder?
Ich habe eine super Geigenlehrerin. Als Solistin möchte ich mal so werden wie Julia Fischer. Ihr Stil gefällt mir am besten. David Garrett gefällt mir nicht, weil der so Crossover spielt. Viel Show und alles möglichst schnell. Aber beim Geigespielen geht es ja nicht um einen Rekord.
Hast du einen Lieblingskomponisten?
Nein, das nicht.
Audrey spielt eine französische Kindervioline aus dem 19. Jahrhundert.
Hast du schon eigene Sachen komponiert?
Keine großen Sachen. Da ich die Noten schon gekannt habe, habe ich im Kindergarten mal einige aufgeschrieben und für meine Plüschtiere ein Lied komponiert. Und in der Schule hatten wir gerade das Thema »Erfindungen«, und jeder musste eine Erfindung machen. Die Jungen haben Maschinen und so erfunden und ich dachte, ich könnte ein Stück schreiben, das ist ja auch eine Erfindung. Das habe ich dann auch vorgespielt.
Hatte das Stück einen bestimmten Charakter?
Doch, ja, im Stil von Bériot, das ist ein Komponist. Das Stück hat Eistanz geheißen.
Hattest du das so vor Augen, eine Eistänzerin?
Eigentlich nicht. Ich habe so drauflosgeschrieben und dann einen passenden Titel gewählt, so, wie es halt gerade klang.
Wissen die anderen Kinder aus deiner Klasse, dass du so gut Geige spielst?
Ich will damit nicht so prahlen. Deshalb spiele ich nicht gern vor den anderen Kindern, die interessieren sich gar nicht dafür. Manchmal sagen sie auch gemeine Sachen über mich und die Geige oder nennen mich Streberin. Ich weiß gar nicht, warum.
Kannst du was mit Popmusik anfangen?
Nein, ich höre und spiele am liebsten Klassik.
Und die anderen in der Klasse?
Die schon, die gehen auch regelmäßig in die Disco, tanzen und so. Aber ich kann das nicht ausstehen, weil ich Ohrenschmerzen bekomme und mir schlecht wird wegen des Lichts.
Finden die anderen, dass du dann eine Spielverderberin bist?
Eigentlich nicht. Wäre mir auch egal.
Mit wem hast du deinen zehnten Geburtstag gefeiert?
Wir haben bloß in der Familie gefeiert. Vielleicht mache ich an meinem elften Geburtstag wieder eine Party.
Mit den Eltern und ihrem Bruder Glenn im Urlaub 2009 auf der griechischen Insel Santorini.
Wie war das eigentlich, zehn Jahre alt zu werden?
Das war nichts Besonderes, zweistellig, aber sonst? Eigentlich bin ich halt einfach ein Jahr älter.
Fühlst du dich manchmal erwachsener als die anderen Kinder in deiner Klasse?
Nein, denn ich bin sowieso die Kleinste. Aber eigentlich stört es mich nicht, es ist ja egal. Manchmal ist es auch lustig. Man ist etwas flinker als die anderen. Jetzt bin ich 1,32 Meter groß. Deshalb würde ich jetzt auch keine Klasse überspringen wollen, dann wären die anderen ja noch größer.
Musst du viel lernen?
Lernen fällt mir sehr leicht, bei Vokabelprüfungen habe ich auch noch nie etwas falsch gehabt. Aber ich lerne immer ziemlich knapp vor den Prüfungen.
Kann es sein, dass du in einem Jahr oder so plötzlich keine Lust mehr hast, Geige zu spielen?
Glaube ich nicht. Wenn ich einige Tage nicht spielen kann, vermisse ich das Geigenspiel. Manchmal mache ich gern Pause, dann kann man nachher wieder richtig gut starten. So frisch.
Wie ist es, auf der Bühne zu stehen?
Vor dem Konzert bin ich gar nicht so aufgeregt. Ich konzentriere mich auf mich und meine Geige, und es ist mir egal, wer im Publikum sitzt. Aber natürlich, es ist ein sehr schönes Gefühl.
Was bedeuten dir die Preise, die du bekommst?
Das ist lässig. Vor zwei Jahren habe ich bei meinem ersten Wettbewerb einen zweiten Platz gewonnen, letztes Jahr den ersten.
Was machst du mit dem Preis?
Es gibt keinen Preis, sondern ein Diplom. Das legen wir beiseite für später. Es ist ja nicht wie beim Sport, wo es einen Pokal zum Aufstellen gibt.
Schade, nicht?
Eigentlich nicht, nein. Gewisse Pokale muss man ja nach einiger Zeit sowieso wieder abgeben.
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Bio:
Audrey Haenni
12. Juni 2001
Zusammen mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Glenn, der ebenfalls Geige spielt und talentiert ist, wohnt Audrey Haenni in Uitikon, im Kanton Zürich. Altes Haus, großer Garten. Sie hat erste Preise gewonnen und möchte, wenn sie erwachsen ist, Solistin werden. Jetzt geht sie in die Schule, in die vierte Klasse.
Foto: Maurice Haas und Privat Illustrationen: Alexis Zurflüh