Frau Kindler-Röhrborn, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Geschlechterunterschieden bei Krebserkrankungen zu beschäftigen?
Andrea Kindler-Röhrborn: Ich habe zu bestimmten Grundlagen der Krebsentstehung geforscht und in diesem Zusammenhang Ratten mit krebsauslösenden Substanzen behandelt. Dabei habe ich gemerkt, dass die männlichen Ratten viel häufiger und viel schneller Tumore entwickelt haben als die weiblichen. Mein erster Impuls war ehrlich gesagt, das unter den Tisch zu kehren.
Warum das?
Ich dachte: Oh nein, nicht noch mehr Faktoren, die ich bei der Auswertung berücksichtigen muss, es ist doch alles schon kompliziert genug. Aber am Ende stellte es sich als wissenschaftliche Goldgrube heraus. Obwohl ich für mein erstes Paper 2006 noch viel Kritik abbekommen habe. Es hieß: »Hat das überhaupt alles Hand und Fuß?« Oder: »Wir wollen das mal nicht übertreiben.« Ich war völlig platt, als ich dann gesehen habe, dass es bei Menschen ähnlich ist wie bei den Tieren: Wenn man alle Tumorfälle auf der Welt abseits des Reproduktionstrakts betrachtet, entstehen bei Männern 1,7-mal so viele Tumoren wie bei Frauen, also beinahe doppelt so viele.