Fräulein Fies

Im Internet mutieren viele Frauen zu Lästermäulern: Sie listen ihre schlimmsten Ex-Männer auf, verreißen das Outfit der Bekannten, zicken sich gegenseitig an - und festigen damit alte Rollenbilder.

Bis vor einem Jahr, bevor die Serverkosten angesichts des großen Zuspruchs zu hoch wurden, führte die Bloggerin Nikol Lohr auf ihrer Website "Disgruntled Housewife" die "Dicklist". Eine Liste von Tausenden von Männern, die sich in den Augen ihrer Exfreundinnen als "Dicks", als "Arschlöcher" qualifiziert hatten. Die Liste war ein Pranger: Die vermeintlichen "Vergehen" der Männer waren säuberlich aufgereiht und unter anderem mit Wohnort und Name versehen. Wer die "Dicklist" zur Hand hatte, konnte problemlos nach üblen männlichen Exemplaren in seiner Umgebung forschen und wurde meist auch fündig - so ausführlich war die Liste.

In das Vakuum, das nach dem Ende der "Dicklist" im Internet offenbar herrschte, ist vor einigen Wochen eine neue Website gestoßen, die in der Blogosphäre für große Heiterkeit sorgt. Von Mailbox zu Mailbox wird der Link geschickt, meist mit der Betreffzeile "wirklich lustig!!!". Die neue "Dicklist" heißt "I Bang The Worst Dudes (Sorry Mom)" und funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip: Junge Frauen schicken Fotos ihrer angeblich schlimmsten Bettgenossen ein, die dann, mit einem schwarzen Verbrecherbalken versehen, veröffentlicht werden. Hinzu kommen Kurzbeschreibungen und es ist durchaus lustig zu lesen, wenn da von selbstverliebten Gockeln berichtet wird, die sich im Bett daneben benommen haben. Mal hat sich einer aufgrund seiner Körperbehaarung disqualifiziert, mal hat er es gewagt, nach einer gemeinsam verbrachten Nacht um ein zweites Treffen zu bitten. Das Verhalten der ausgestellten Männer ist also in den seltensten Fällen tatsächlich verachtenswert.

Klar, sichert die Erfinderin von "I Bang ..." zu, die übrigens anonym bleiben möchte: Wenn sich einer der "Worst Dudes" beschwere, dann werde sein Bild aus dem Netz genommen. Aber das komme fast nie vor. Bisher habe sie auch nur eine verärgerte Mail von einem der Opfer bekommen. Und all ihre Freundinnen fänden die Seite so unfassbar lustig, dass sie gleich dutzendfach ihre eigenen peinlichen One-Night-Stands eingeschickt hätten.

Meistgelesen diese Woche:

Ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Opfern hat die Macherin der Homepage nicht, ebenso wenig wie die Frauen, die ihre Exfreunde der Lächerlichkeit preisgeben. Der enorme Erfolg der Website sagt vor allem eines: Frauen benehmen sich im Internet häufig ziemlich provozierend und finden das kein bisschen problematisch, sondern verkaufen ihre Rüpel-Attitüde mitunter gar als neuartige feministische Haltung.

Klar ist auch unser Verhalten im Netz geschlechterspezifisch geprägt. Untersuchungen des unterschiedlichen Webnutzungsverhaltens von Frauen und Männern haben erwiesen, dass sich die stereotypen Unterschiede im Netz erstaunlicherweise eher manifestieren, denn verwischen. So surfen Männer eher fokussiert auf Ergebnisse hin, während Frauen die Kommunikation und die Festigung emotionaler Bindungen sehr viel wichtiger sind.

Auch eine Studie von Medienwissenschaftlern der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg zur "Selbstrepräsentation in Web-basierten sozialen Netzwerken", die im Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde, kam zu diesem Ergebnis. Auch dort zeigt sich, dass Frauen Websites wie StudiVZ oder Facebook in erster Linie zur Kommunikation mit dem schon vor der Anmeldung existierenden Bekanntenkreis nutzen.

(Lesen Sie weiter auf jetzt.de)