Carina: »Ich will Erfolg haben im Beruf«

In der Schule fühlte sie sich manchmal überfordert, aber das hat ihr nicht den Mut genommen. Im Gegenteil: Carina weiß, was sie will – und macht sich etwas viel Druck.


Zuhause bald eine Studentenwohnung
Ausbildung Abitur, verschiedene Praktika
Liebe glücklich verliebt
Einkommen durch Nebenjobs, Eltern
Lieblingsessen Paprikaschnitzel
Lieblingsstar keiner
Größter Wunsch in den USA arbeiten
Nächster Urlaub Wellness mit Mutter, Städtereise mit Vater

Da schweigen die Eberharts. Der Vater schaut die Mutter an, ratlos. Beide schauen zu Carina, ihrer Tochter. Die überlegt. Wir sitzen auf der Terrasse ihres Golfclubs, und ich hatte gefragt, worüber Carina und ihre Eltern in den letzten Jahren gestritten haben. Carina sagt nach einer Pause: »Da gab es nichts. Ich glaube, zwischen uns kann es gar keine großen Konflikte geben.«

Ausgerechnet die Pubertät scheint Carina ausgelassen zu haben, jene heikle Zeit, in der andere Jugendliche die Eltern peinlich finden, sie mit ihnen streiten und kämpfen. Carina ist höchstens mal ein wenig genervt: Sie verdreht die Augen, als wir in der Küche ihres Elternhauses stehen und der Vater zu erzählen beginnt, wie er das 400 Jahre alte Haus eigenhändig renoviert hat. »Da muss man ihn bremsen, sonst kann das ewig dauern«, zischt sie.

Kleinigkeiten. Was zählt: Mutter und Vater lieben und unterstützen ihr einziges Kind, die Tochter hat deren Wertvorstellungen übernommen, Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft sind für alle drei wichtige Themen. Ob das auch an Salem liegt?

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Vor sieben Jahren saßen wir in dem Zimmer, das sie dort mit einem anderen Mädchen bewohnte, und sie erzählte von den harschen Regeln, die in diesem berühmten Internat herrschen: Wer mit Kaugummi erwischt wurde, zum Beispiel, musste zur Strafe zwanzig Minuten durch den Wald rennen. So waren die Prinzipien Bernhard Buebs, des Schulleiters. Nach seiner Überzeugung erlangen junge Menschen Tugenden wie Mut und Selbstbewusstsein am ehesten unter strenger pädagogischer Führung. Zwei Jahre später brachte er viele dieser Thesen als Buch heraus: Lob der Disziplin wurde ein Bestseller, die Diskussion, ob man Kinder wirklich so erziehen sollte, dauert an.

Für Carina waren die Jahre in Salem manchmal schwierig: In der fünften Klasse wurde sie gemobbt, in der neunten Klasse fühlte sie sich überfordert von ihrer Aufgabe als Helferin für jüngere Schüler; in der elften Klasse dann hatte sie Stress mit ihrer Mentorin. Doch heute sagt sie: »Ich bin stolz, dass ich dort war.« Im vergangenen Jahr hat sie Abitur gemacht und ist gleich dem Verein der Altsalemer beigetreten, einem Netzwerk mit fast 4000 Mitgliedern.

Andere Dinge haben sie in ihrer Schulzeit glücklicher gemacht: die Reise nach Kenia, wo ein paar Schüler in drei Wochen eine Bibliothek für ein Dorf bauten, mit Mörtel und Kelle, Stein auf Stein. Oder der Moment, in dem ihr klar wurde, dass sie BWL studieren will: Zusammen mit einer Freundin richtete sie die Schulfeste aus; sie mussten die Kosten kalkulieren, vor dem Schülerparlament das nötige Budget beantragen, waren für die komplette Organisation zuständig und hinterher für die korrekte Abrechnung. Zweimal hatten sie einen Gewinn erwirtschaftet, glückliche Momente, auch weil sie ihr zeigten, wo ihre Begabung liegt.

Mit 13 war Carina lebhaft, reflektiert und selbstkritisch. Sie wirkte reifer als andere 13-Jährige. Und heute sieht sie in ihrem Blazer und mit der Breitling-Uhr eher aus wie eine Managerin als wie eine Abiturientin, die ihr Studium noch nicht begonnen hat. »Ich will mir Ziele setzen und die dann auch erreichen«, sagt sie.

Ihre Mutter erzählt gern, dass Carina schon als kleines Mädchen davon geredet hat, später ihre eigene Firma zu gründen. Auf der Schwäbischen Alb, wo die Familie wohnt, steht in jedem Dorf irgendeine Fabrik. Ihr Vater, Carina nennt ihn »einen Kämpfer«, stammt aus einer Bäckersfamilie und gründete mit seinem Bruder eine Bauträgerfirma. Das imponiert ihr: »Ich will Erfolg haben im Beruf. So wie meine Eltern, die auch etwas geleistet haben.« Bei ihrem Vater steht inzwischen ein Ferrari in der Garage, und das Internat für Carina zu bezahlen, in neun Jahren 270 000 Euro, war kein Problem.

Wie alles in ihrem Leben plant Carina auch ihre berufliche Laufbahn systematisch. Sie führt eine Excel-Tabelle, in der sie alle wichtigen Informationen zu den Unis eingetragen hat, an denen sie sich beworben hat; in Rot, Gelb und Grün hat sie die Chancen eingeteilt, dort einen Studienplatz zu bekommen. Seit dem Abitur hat sie vier Praktika gemacht, ohne Pause. Sie arbeitete: bei einem Unternehmen für Solaranlagen, in der Bauträgerfirma ihrer Eltern und in zwei Firmen, die den Eltern von Freundinnen gehören: einer Modefirma und vier Monate in der spanischen Niederlassung des schwäbischen Materialherstellers Würth.

Die andere Seite dieses Ehrgeizes: Carina fällt es schwer abzuschalten. »Ich bin sehr gut darin, mir selbst Stress zu machen.« Auch deshalb will sie diesen Sommer nicht groß nachdenken – mit ihrem Freund Daniel, einem 25-jährigen BWL-Studenten, will sie zum Flughafen fahren und den nächsten Last-Minute-Flug in die Sonne nehmen. Sie sagt, sie arbeite daran, »ihre Kopflastigkeit« zu reduzieren. Schon in der zwölften Klasse hat sie sich so viel Druck gemacht, dass sie einen Hörsturz bekam. Ihr Vater hatte bereits drei.

Und, ja, sie kaut noch immer Nägel. Als sie 13 war, hatte sie alle Fingerkuppen mit Pflastern beklebt und schwor, bald mit dem Nägelkauen aufzuhören. Heute sind ihre Hände sehr gepflegt, die Nägel rot lackiert. Dann wird sie plötzlich verlegen, das einzige Mal. Sie sagt, der Lack sei ein guter Schutz, um die Nägel nicht abzukauen, doch es gebe ja auch Haut um die Nägel herum. »Aber ich bin auf dem Weg der Besserung.«

Fotos: Konrad R. Müller