Hätte man einen Hollywoodregisseur damit beauftragt, für ein postapokalyptisches Film-Set einen wirklich bösen Club zu entwerfen – es wäre vermutlich das »Berghain« in Berlin dabei herausgekommen. Draußen, vor der Betonfassade eines toten Heizkraftwerks, wacht ein gesichtstätowierter Türmann. Drinnen: 1500 Menschen auf drei Ebenen, Stahltreppen, Tresen aus Hartgummi, im ersten Stock eine Tanzfläche unter einer 18 Meter hohen Decke, dazu Darkrooms, in die sich nicht nur zungenküssende Muskelmänner trauen, sondern auch Pärchen aller anderen sexuellen Orientierungen. Ein Stockwerk höher, in der Pano-ramabar, hängen die Plattenspieler an Ketten von der Decke und die Scham einer Frau spreizt von der Wand, fotografiert von Wolfgang Tillmanns.
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Eingang mit grimmigem Türsteher Sven Marquardt. Akribische Taschenkontrolle.
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Darkroom II: stockbettartige Liegeflächen mit Vorhängen, halbdunkel.
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Wandgroße Installation auf 175 Aluminiumplatten: »Rituale des Verschwindens« von Piotr Nathan.
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Ruhiger Toilettentrakt, wenn es oben zu voll ist.
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Beton-Sofas, Bar, Säulengänge.
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Berghain-Garten: in der Sonne tanzen.
Für Feierwütige der ganzen Welt ist der Club im Stadtteil Friedrichshain zu einem mythenverhangenen Sehnsuchtsort geworden: Von Barcelona bis New York erzählt man sich die gleichen unglaublichen Geschichten. Von Türstehern, die bei der Taschenkontrolle Potenzmittel von Ecstasytabletten unterscheiden können; von Männern, die als Wolke verkleidet sind, und anderen, die auf der Unisex-Toilette ihren Anus präsentieren; oder von der »Berghain«-Silvesterparty, die drei Tage andauert, und auf der Menschen auch so lange bleiben. Wer schon mal im »Berghain« war, sagt: Das ist der beste Club der Welt. Der Berühmteste dürfte das »Berghain« derzeit auf jeden Fall sein.
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Darkroom I: verwinkelte Gänge mit kleinen abgeteilten Kabinen, sehr dunkel.
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Unisex-Toiletten. Immer voll. Für viele ein Spielplatz.
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Tanzfläche Berghain, in einer 18 Meter hohen Halle: Techno, schwul, dunkel.
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Großer Barraum mit von der Decke hängenden Schaukelsofas.
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»Eisbar«: Cappuccino, Butterbrote, Erdbeereis.
Der Unterschied zu einem Club der Neunzigerjahre liegt in der Berghain’schen Kompromisslosigkeit: Das fängt schon bei der Schlange an. Sie ist lang, aber für jeden, es gibt keine VIP-Zonen, kaum eine Gästeliste. Kleidung, Geld, Prominenz spielen keine Rolle; rein kommt nur, wer feiern will, als gäbe es kein Morgen: Glatzen-Raver aus Brandenburg, Hippster in Röhrenjeans, Lederschwule, Pillenspanier. Die Realität, so wollen es die »Berghain«-Gebote, bleibt ausgesperrt: Fotografieren ist verboten, auf den Toiletten hängen keine Spiegel. Nur in der Panoramabar gehen ab und an die Jalousien auf, um der Nachmittagssonne eine alte Berliner Techno-Hymne entgegen-zuprosten: »Wir sehen scheiße aus, aber eines, das ist sicher: Wir gehen nicht nach Haus.«
zu 12, 13 & 14:
Fotoarbeiten von Wolfgang Tillmanns: »Freischwimmer« und »Nackt«.
zu 15:
Auch nach Stunden kann man sich hier nicht den Kopf stoßen: Bar aus Hartgummi.
zu 16:
Tanzfläche Panoramabar: House, hetero, hell.
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Hohe Motivfenster des Künstlers Marc Brandenburg.
zu 18 & 20:
Separees: aus Holz gezimmerte Kabinen und Liegen, zum Teil mit Blick auf die Tanzfläche.
zu 19:
Unisex-Toiletten. Immer voll. Für viele ein Spielplatz.
zu 21:
Nachträglich eingebauter Raucherbereich: hell, kalt.