Christian Ulmen bittet die Kollegen, die in seiner Talkshow vorkommen, sie mögen es ihm nachsehen: Sky du Mont, Hellmuth Karasek, Heidi Klum, Reinhold Beckmann und Sarah Kuttner (von links). Beckmann: Mit Sätzen wie: »Wer sich heute nicht kümmert, wird es später bereuen« rücken uns private Versicherer und Regierung auf den Leib und verunsichern uns. Der Rentendschungel wird immer grotesker und tut dazu ein Übriges. Liebe, ganz liebe Zuschauer zu Hause (Beckmann macht ein trauriges Gesicht, seine Stimme wird brüchig), unsere Redaktion bekommt täglich Tausende von Zuschriften, in denen Männer, Frauen und Kinder von der Angst vor dem Altwerden schreiben und uns fragen: Wie sorge ich vor für diese Zeit, die unerbittlich näherrückt, Stunde um Stunde? Und: Ist ein würdiges Alter tatsächlich nur eine Frage des Geldes? Oder ist unsere Einstellung zum Altwerden verkehrt? Zu Gast bei mir heute, meine verehrten Damen und Herren, und ich sag’s absichtlich wertfrei, sind junge und alte Hasen (Beckmann freut sich über seinen Witz), mit denen ich reden möchte über dieses heikle und spannende Thema: Rente, ade! Hallo, private Altersvorsorge! Ist private Altersvorsorge ein Weg zum Glück oder nur der Schongang in der Hölle? Ich begrüße ganz wahnsinnig herzlich bei mir im Studio: Krawallmoderatorin und Jugendsprachrohr Sarah Kuttner, Literaturkritiker und Herausgeber einer Tageszeitung Hellmuth Karasek, Topmodel und Unternehmerin Heidi Klum sowie Sky du Mont, Schauspieler von internationalem Rang und Werbeträger einer Lebensversicherung – einen schönen guten Abend, meine ganz furchtbar lieben Gäste. Blenden wir also die staatliche Rente einmal komplett aus, streichen wir sie – wie man so schön sagt – wie eine zu spät als verschimmelt erkannte Margarine wieder vom Butterbrot, machen wir Platz für einen Rentenersatz, Heidi Klum, was für eine Altersvorsorge schmierst du dir, bildlich gesprochen, auf deine Stulle der Zukunft?
Klum: Na ja. Ich halte persönlich viel von Immobilien. Mein Immobilienmakler drüben hat mir da was vermittelt. Ich bin jetzt sozusagen richtig Vermieterin (rollt ulkig mit den Augen), ein Mieterschreck (hält ihre zu Krallen geformten Hände vors Gesicht), ’n richtiger Miethai (fletscht ihre weißen Zähne zum Spaß, lacht wie in der Joghurtdropswerbung). Nee, so schlimm ist’s nicht. Kann ich jedem nur empfehlen! Tja, ansonsten Aktienfonds, fondsgebundene Lebensversicherungen, Festanlagen, Schatzbriefe. Mir macht Vorsorge superviel Spaß. Hamstern ist irgendwie mein Ding. Immer schon – auch wenn ich an meine Kinder denke –, ich halte gar nichts von den staatlichen Rentenprogrammen – Rierüprente … Beckmann: Riesterrente.
Klum: Ja, mein ich.
Kuttner: Na, das ist ja wohl auch die größte Verarsche. Ich finde ja wirklich, das Problem ist ein anderes: nämlich, dass dem Alter immer so ein fieser Beigeschmack untergejubelt wird …
Karasek: Moment, Sie, Fräulein Kuttner, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie etwas unwirsch unterbreche …
Kuttner: Is o.k.
Karasek: … aber wo ist denn Ihr Berliner Akzent geblieben?
Kuttner: Wie jetzt!? Ich hatte nie einen. Aber wenn Sie wollen, kann ich ja Ihnen zuliebe ab jetzt …
Karasek: Doch! Ich könnte schwören, Sie hätten diesen starken Berliner Akzent. So sind Sie mir phonetisch in Erinnerung. Für mich sind Sie dieser Berliner Görentypus, und das bewundere ich so an Ihnen, dieses Rotzfreche, Geile, nicht? Und da hatten meine Synapsen das irgendwie mit einem Berliner Akzent verknüpft. Das tut mir jetzt leid, wenn ich da …
Kuttner: Na, toll. Nicht jeder, der aus Berlin kommt und im Fernsehen seine Meinung sagt, hat einen Berliner Akzent, Herr Karasek.
Klum: Ich hätte jetzt aber auch gedacht, dass du berlinerst.
Kuttner: Du kennst mich doch gar nicht!
Beckmann: Sky du Mont, Sie sind ein alter …
Kuttner: Nee, Sekunde, ich war noch nicht fertig, so altersthemenmäßig. Is ja heute. Alter, ne? Also: Mir geht das echt auf die Nüsse, dass die Alten sich dit jefallen lassen, dass sie in der Öffentlichkeit immer so als eklich und doof abjetan werden. Ick mag meine Oma voll jerne, ooch wenn die im Altersheim is und man sagen könnte – verjiss die Schachtel! Aber die ist einfach ’ne saucoole Alte. Die ruft mir immer an zum Jeburts-tag und sacht: Hab dir lieb! (Macht eine süße Schnute.) Und denn ruf ick ooch ma zurück. Darum jeht dit: Ruft eure Omas an! Redet mit ihnen! Die sagen jute Sachen dann! Versprochen! Ick will keenem wat vorschreiben, dit steht mir überhaupt nicht zu, ick sage nur meine Meinung, aber Omas müssen anjerufen werden, sonst hackt’s!
Klum: Ich kenne auch unfreundliche Omis, gerade in Deutschland, die sich an der Kasse vordrängeln und nicht mal danke sagen, wenn ich ihnen die Tür aufhalte, dabei zahle ich deren Rente.
Kuttner: Aus L.A.?
Beckmann: Haben wir ein falsches Bild vom Altsein? Hellmuth Karasek, wie ist das, wenn man die Siebzig überschritten hat: Fühlt man sich da allein gelassen?
Karasek: Na, ich weiß, dass gerne Späße gemacht werden übers Altwerden, und das find ich okay (leckt sich die Lippen und wartet auf Reaktionen – die bleiben aus), aber ich habe einmal etwas gelesen und das habe ich mir gemerkt, nicht weil der Verfasser ein berühmter Schriftsteller und Politiker war, sondern weil es stimmt: Jeder ist im Alter so jung, wie er sich fühlt! Doll, nicht? Also ich fühle mich jung und – toitoitoi – ich bin gesund. Ich denke, wir sollten trennen: Krankheit ist das eine, und das ist schrecklich! Egal, ob man jung oder alt ist, oder nicht? (Er blinzelt witzig.) Und alt sein ist das andere: Aber wenn sich zum Alter die Weisheit gesellt, dann ist das die beste Vorsorge, die man leisten kann. Drum empfehl ich gerne Bücher statt Pillen, ja?
Beckmann: Sky du Mont, Sie machen Werbung für ein Lebensversicherungsunternehmen, das einem die alten Lebensversicherungen abkauft, wenn man mal knapp bei Kasse ist. Laut Statistik droht unsere Gesellschaft im Alter zu verarmen. Ist das etwas, das Sie persönlich berührt?
Du Mont (lächelt süffisant, spricht langsam und bewusst sonor wie ein Cowboy): Wissen Sie, das Leben hält zu jeder Zeit Überraschungen bereit und ich verstehe die Sorgen der Menschen nicht – gerade was den Ruhestand betrifft. Viele Freunde von mir sind längst im Ruhestand. Du, die sind glücklich, denn sie haben zeitlebens was zur Seite geschafft und können heute sagen: Diese gottverdammte Scheißarbeit hat sich gelohnt! Natürlich kann man sich nicht gegen jeden Fehler versichern – aber unsere moderne Gesellschaft bietet eben einen tollen Service. Auch und gerade was die Altersvorsorge betrifft. Heidi hat’s eben angesprochen. Ich sage nur: Fonds, Fonds, Fonds, Lebensversicherungen und FDP wählen. Beckmann: Aber ist das nicht zunehmend eine Frage des – ich sag’s salopp: des Geldbeutels?
Du Mont (zieht souverän eine Augenbraue nach oben und schmunzelt): Das ist im Leben wohl allgemein so. (Er beugt sich über den Tisch und tätschelt den Unterarm von Sarah Kuttner. Die erschrickt.)
Beckmann: Hellmuth Karasek sprach gerade von der Gesundheit als Altersvorsorge. Sky, gehen Sie regelmäßig zur Prostata-Untersuchung?
Du Mont (nimmt seine Hand von Kuttners Unterarm): Ja, selbstverständlich. Seit ich 45 war. Das sollte jeder Mann tun.
Beckmann: Beschreiben Sie das doch mal, um unseren Zuschauern die Angst zu nehmen – wie hat man sich eine solche Untersuchung vorzustellen?
Du Mont: Na ja, ich denke, das ist allgemein bekannt. Die Prostata wird abgetastet und …
Beckmann: Der Reihe nach. Wie erleben Sie das? Sie liegen da also auf der Liege bei Ihrem Arzt, ich nehme an: auf der Seite, Beine angewinkelt, Po blank – wie geht das dann genau weiter?
Du Mont (kratzt sich an der Nase): Also, ich weiß jetzt nicht, ob sich das … So eine Untersuchung ist ja immer auch ein Stück weit eine private Angelegenheit …
Karasek: Also ich bin Kassenpatient aus Überzeugung und mache das auch regelmäßig mit der Prostata. Das nimmt sich jetzt nichts.
Klum: Auf jeden Fall sollte man überhaupt versichert sein.
Beckmann: Kürzlich ging ein Bild aus Hannover durch die Presse von einem Mercedes, in dem ein Rentnerehepaar über mehrere Monate hinweg, ja, gelebt hat. Zwei alte Menschen wohnten in einem Auto! Mitten in Deutschland. Über Monate! Stellen Sie sich das vor, diese Rentner haben in dem Mercedes gehaust wie in einem Gefängnis der Hoffnungslosigkeit. (Er macht eine Kunstpause, um die Wirkung seiner Worte zu steigern.) Warum machen Menschen das? Ich frag mal energisch in die Runde! Nur weil kein Geld mehr für die Wohnung da ist? Oder aus Angst, ohne den Mercedes nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert zu sein? (Während Beckmann die Zuschauer in Atem hält, flüstert du Mont Kuttner etwas ins Ohr.)
Kuttner (halblaut): Hörma auf damit!
Karasek: Ich hab nichts gegen Fahrzeuge, aber eine warme Suppe und ein Dachpfannen-Dach überm Kopf sind die Voraussetzung für Würde und Menschlichkeit, besonders im Alter.
Beckmann: Also doch eine Frage des Geldes?
Du Mont (von ganz tief unten): Ja ja …
Karasek: Nein, eine Frage der sozialen Einbindung. Wenn ich arm bin, aber Familie und Freunde habe, dann brauche ich mich nicht in meinem Mercedes zu verstecken, sondern dann kann ich sagen: Leute, ich bin nicht mehr der Jüngste, helfts mir beim Kochen. Und wenn die Freunde gut sind, dann helfen sie! Aber das darf einem nicht erst mit 65 einfallen, sondern da muss man schon mit 20 eine Wertetabelle intus haben oder mit 25.
Du Mont: Das ist richtig. Den sozialen Zusammenhalt zu erlernen ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe für die vereinsamte Gameboy- und Playstation-Generation.
Kuttner: Ach ja, die Jugend wieder als Fußabtreter! Ick beobachte bei meiner Generation ’ne janz andere Power, was det Soziale anjeht. Rente jibt et für uns eh nich! Aber ohne Kohle zu leben und damit klarzukommen find ich ehrlicher und auch direkter. Wir müssen eben anders vorsorgen. Eben mitn bisschen mehr »Wir« statt »Icke« und uns nicht Angst machen lassen von huuh, det böse Alter hier, und hähä, die schlimme Armut da. Ick finde, da hat sich so ’ne krasse Rechenschiebermentalität breitjemacht, als ob man det Leben berechnen und versichern könnte.
Du Mont (nickt anerkennend und will wieder etwas zu Kuttner sagen)
Karasek (mit rotem Kopf): Na also, tut mir leid, aber mit barschem Bogen eine ganze Generation über den Kamm zu scheren bringt goar nix …
Kuttner (zu du Mont): Alter!
Beckmann: Aber seien wir doch mal ehrlich – können alte Menschen nicht auch furchtbar ekelhaft sein? Wie sie oftmals daliegen in ihrem eigenen Kot, durch tiefe, schwarze Kehlen röchelnd nach ein bisschen Luft gieren, die Gesichter nur mehr schmerzverzerrte Grimassen, unfähig, auch nur einen vernünftigen Satz geradeaus zu sprechen? Also, mich schaudert’s da. Dieser Gestank! Leute! Puh. So soll sich doch unser Nachwuchs bitte nicht schon im knackigen Jugendalter mit diesem Thema befassen müssen, wo man das Leben vor sich hat, sich neu verliebt, ausgelassen im Meer badet oder einen Discobesuch mit etwas Lippenstift aufpeppt, Herrschaften. (Währenddessen macht du Mont Kuttner ein Kompliment, woraufhin die kichert und nun doch anfängt, mit ihm zu tuscheln.)
Klum (ihr linkes oberes Augenlid will sich nicht ganz öffnen): Das ist eine Frage der Erziehung. Also ich hatte ein starkes Sicherheitsbedürfnis und habe früher nie so unbekümmert in den Tag hineingelebt oder irgendwo gebadet. Und klar sehen alte Leute manchmal etwas komisch aus, aber …
Kuttner (die Tuschelei plötzlich beendend): Mann, du Vorstadtpimp, jetzt lass ma det Grabschen jut sein, ick bin nich dein Kuschelförmchen!
Beckmann: Ich frag mal anders: Ist es nicht ein ungeheurer gesellschaftlicher Missstand, wenn Menschen die Hoffnung auf Sicherheit und Wohlstand im Alter fahren lassen und – wie kürzlich eine Politikerin gesagt hat – massenweise Selbstmordkandidaten statt Steuerzahler im Staatsschiff fahren?
Karasek (laut): Halt, hier geht’s wieder drunter und drüber! Präsenile Depression hier und fahrlässige Bürger dort. Das sollte man schon trennen. Ich bin einverstanden, wenn Leute sagen: Ich zahl nicht in die Rentenkasse, ich verbrauch ’s Geld lieber, bis es weg ist. Dann sollen sie sich aber nicht wundern, wenn der Arzt später sagt: Du kriegst keine Medikamente und keine Behandlung! Geh heim mit deinem Ischias und wickel dir eine Decke um den Bauch, nicht? Wärme ist gut, das weiß jedes Kind. Aber das Schreckgespenst Alter, beziehungsweise die Angst, im Alter nicht mehr voll dabei zu sein, das ist ein Grab, das sich jeder selber schaufelt. Ich schätze die Beschaulichkeit und Reife. Aber ich wertschätze auch mein Geld, ich sag’s direkt, das mir gewisse Annehmlichkeiten ermöglicht.
Beckmann (liest mit gerunzelter Stirne von seinen Kärtchen ab): Ein deutliches Ja zur privaten Vorsorge, Herr Karasek?
Karasek: Natürlich (jetzt ganz laut und deutlich). Wem die Gnade des Reifwerdens zuteilwird, der sollte auch jede Möglichkeit der finanziellen Absicherung mitnehmen. Bitte.
Du Mont (sehr amüsiert, haut mit der Faust auf den Tisch): Der Meinung bin ich auch. Wir dürfen nur nicht vergessen, dass viele tatsächlich nicht vorsorgen, was ein Problem für unsere Gesellschaft ist.
Klum (besorgt): Dieses blöde Image des Alters lässt sich doch durch ’ne intelligente PR am besten bekämpfen. In Amerika ist man da wesentlich dynamischer. Da gibt es Agenturen, die sich dem Thema Lifestyle im Alter … äh … zuwenden, aber das ist eben auch ein Ding für aktive Leute mit Unternehmergeist. Gibt’s ja in Deutschland kaum.
Kuttner: Ick komm mir vor wie in ’ner Roadshow für Oma und Opa mit Pettingbeilage, sorry! Vielleicht sollten Mediziner mal über Antidepressiva im Trinkwasser oder so nachdenken. Det wär doch ’ne Maßnahme.
Beckmann (todernst): Damit würde aber die Kostenexplosion im Gesundheitswesen auch weitergetrieben. (Er bekommt eine Großaufnahme und genießt sie sehr.) Ich möchte mich bei allen bedanken, die heute hier bei uns waren, ob leibhaftig im Studio, wie meine ganz lieben Gäste, oder Sie daheim via Fernsehgerät. Und ich danke mir selber dafür, dass ich meine Eltern einen so fantastischen Menschen aus mir habe machen lassen. (Pause) Wir sind in einer Situation des inneren Umbruchs, liebe Leute, und es steht nichts Geringeres als die Würde des Alters auf dem Spiel. Ich wünsche meinen großartigen Gästen und Ihnen zu Hause Gesundheit und Geld und möchte Sie einladen, nächste Woche mit mir über Fitnessdesign nachzudenken, denn da passiert auch einiges. Bis dahin, lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen!