»Niemand muss sich für ihre oder seine Art zu lieben rechtfertigen«

Ein Coming-out kann eine schwere Belastung sein für Jugendliche, aber auch für ältere Menschen. Im Gespräch erklären eine Forscherin und eine Beraterin, wie Eltern und Freund*innen da helfen können – und wie sich unsere heteronormative Gesellschaft verändern sollte. 

Gefühle, egal für wen, sind natürlich etwas Schönes. Schwierig wird Homosexualität nur dann, wenn die Umwelt andere Erwartungen hat oder ständig davon ausgeht, man sei heterosexuell. Und das passiert auch heute noch oft.

Fotos: iStock/bojanstory

In Filmen und Serien wird ein Coming-out gern als großes Bekenntnis inszeniert, als einzelner Akt. Entspricht das der Realität?
Claudia Krell: Die wenigsten wachen morgens auf und sagen: Wow, ich bin lesbisch. Oder ich bin schwul, ich bin bisexuell. Deshalb unterscheiden wir zwischen dem inneren und dem äußeren Coming-out, und dieses innere Coming-out, also die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Orientierung, beginnt für viele mit einem relativ früh einsetzenden Gefühl des Andersseins: Ich erlebe mich anders, verhalte mich teils auch anders und bekomme durch meine Umwelt die Rückmeldung, dass ich anders wahrgenommen werde. Dieser innere Prozess dauert teils sehr lange und endet in vielen kleinen Akten, die gemeinhin als Coming-out beschrieben werden: also das erste Gespräch mit Eltern, Freund*innen, Arbeitskolleg*innen. Inwieweit jede Person das vollzieht, ist eine individuelle Frage. Letztlich ist es ein lebenslanger Prozess, weil eine Person, die nicht heterosexuell ist, sich in jeder neuen Lebenssituation überlegen muss, ob sie es öffentlich machen will oder nicht.