Vielleicht handelt es sich nur um eine kurzfristige Mode. Vielleicht aber um eine gesellschaftliche Wende: Frauen wie Demi Moore, Madonna, Gwyneth Paltrow oder Nena leben mit einem jüngeren Mann zusammen und schildern selbstbewusst die Vorteile dieser Beziehungen: Die 41-jährige Janet Jackson sagt über ihren sieben Jahre jüngeren Freund, er sei einfach weniger egoistisch als ältere Männer. Und Katharina Thalbach erklärte den rein biologischen Pluspunkt ihres jüngeren Freundes gegenüber gleichaltrigen Männern, die statistisch gesehen früher sterben, ganz trocken so: »Dass er mich beerdigen kann.«
Nun kann man daran zweifeln, was Gesellschaftsmagazine mit der Wirklichkeit zu tun haben, mit dem eigenen Leben. Eine Umfrage im Freundeskreis der Mitarbeiterinnen dieser Redaktion zeigt: Vor allem für berufstätige Frauen um die 35 ist die Liebe zu einem drei, vier, manchmal sieben Jahre jüngeren Mann inzwischen ganz normal. Auch die Statistik spricht gegen ein Randphänomen: Mehr als 20 Prozent der Ehen werden in Deutschland mit einem jüngeren Mann geschlossen, in Japan ist es schon jede dritte. Zahlen, die vor 15 Jahren unvorstellbar gewesen wären. Warum passt heute ein 30-Jähriger anscheinend besser als ein 40-Jähriger zu Frauen um Mitte 30? Fragen wir Evelyn und Paul, 37 und 33, Hannah und Sebastian, 39 und 34, und Klara und Johannes, 33 und 27: berufstätige Paare, die seit Jahren zusammen sind; Johannes und Klara haben ein Kind, Sebastian und Hannah sind verheiratet.
Doch die Fragen über den Altersunterschied laufen erst mal ins Leere. Dann folgen Sätze, mit Leichtigkeit dahingesagt, wie: »Wir merken unseren Altersunterschied gar nicht.« – »Wer fragt denn gleich am Anfang nach dem Alter?« Oder: »Wo die Liebe hinfällt.« Es scheint sich um die banalste Sache der Welt zu handeln. Dann meint Johannes: »Meine Freundin steht mitten im Leben. Sie ist selbstständig, weiß, wie man tanken geht, sie telefoniert nicht dauernd mit ihren Freundinnen und fängt nicht bei jedem Problem an zu heulen.« Sebastian sagt: »Ich kann wenig mit Frauen anfangen, die zu kleine H & M-Tops und Stringtangas tragen und eigentlich einen Vertrauenslehrer bräuchten.« Und Paul: »Sie haben mehr Erfahrung, in jeder Hinsicht, auch sexuell. Sie sind klug.«
Ulrike Brandenburg von der deutschen Gesellschaft für Sexualforschung formuliert es so: »Es gibt heute viele jüngere Männer, die weniger Angst vor unabhängigen Frauen haben.« Die Frauen dagegen suchen in Beziehung nach »Lebendigkeit, sie wollen eine emotionale Qualität der Beziehung«. Evelyn erzählt, was sie an Paul liebt: dass er gut zuhören kann und noch nicht so viele Marotten kultiviert hat. Und Hannah erklärt, dass sie keine Lust hatte, nachdem sie sich bis Mitte 30 um Studium und Karriere kümmerte, nun mit einem Mann zusammenzusein, der wegen bereits mehrfach gescheiterter Beziehungen in Misanthropie verfallen ist.
Karriere ist für Frauen heute wichtig, an Ehe und Kinder denken sie spät: manchmal erst, wenn Männer, die so alt wie sie sind, schon verheiratet im Vorort leben oder sich in einem Gewirr von Unterhaltszahlungen, Ex-Frauen und Kindern verheddern. Auf diese emanzipierten Frauen trifft eine Generation von jüngeren Männern, die von ihren Müttern gelernt haben, selbstständige Frauen zu mögen und das Geschirr in und nicht auf die Spülmaschine zu stellen. Der Altersunterschied zeigt sich nur im Detail. Junge Männer versus ältere, das heißt: Ebay gegen Manufactum, Beachcruiser gegen Titan-Carbon-Rennrad. Klara sagt: »So ein Anfang-30-Jähriger bringt dir zwar ein Skateboard mit in den Hausstand und stellt es dahin, wo du eigentlich die Schuhkommode aufbauen wolltest. Dafür lädt er dir aber auch die beste Musik auf deinen iPod.«
Äußerlich ist der Altersunterschied kaum festzumachen: »Die meisten sind überrascht, dass Paul vier Jahre jünger ist als ich«, meint Evelyn. Eine Frau von 35 schwebt alterslos in jener Dekade zwischen 25 und jetzt, weil sie gezielt Sport treibt, mit Cremes Falten auf-polstert und kleine OP-Eingriffe nicht unbedingt ablehnt. Was unterscheidet auf den ersten Blick noch eine 38-Jährige von einer 30-Jährigen? Beide tragen Jeans, T-Shirt und Ballerinas wie alle Frauen überall auf der Welt.
Vor 40 Jahren existierte die Mittdreißigerin als Frauentyp noch gar nicht. Mit spätestens 30 war eine Frau verheiratet, zog einen Flanellrock an, steckte sich eine Brosche an die Bluse und schlüpfte in bequeme Schuhe. Oder sie war unverheiratet und Lehrerin. Heute gibt das ästhetische Erscheinungsbild keine Auskunft mehr über das Alter. Optisch und emotional passen ein jüngerer Mann und eine ältere Frau problemlos zueinander. Die ältere Frau ist heute weder Hausmütterchen noch vampartige Verführerin wie Mrs. Robinson, die im Film Die Reifeprüfung den jungen Mann mit einem Happs verspeist.
Evolutionsbiologisch betrachtet, sind Frauen wie Klara, Evelyn, Johanna, Demi Moore, Madonna und Gwyneth Paltrow aber kleine Sensationen: Sie suchen nicht mehr nach einem älteren Versorger, weil sie für sich selbst sorgen können. Damit brechen sie aus dem jahrtausendealten Paarungsverhalten aus. Aristoteles beschrieb es in seinem Regelwerk Nikomachische Ethik so: Ein älterer Mann wählt sich am besten eine jüngere Frau.
Im August konnten Wissenschaftler der Universität Wien mit einer Studie an 11 000 Paaren nun auch statistisch belegen, aus welchen Grund sich jahrtausendelang ältere Männer mit jüngeren Frauen zusammengetan haben: Paare mit einem Altersunterschied von vier bis sechs Jahren haben die meisten Kinder. Der Mann bekommt auf diese Weise ein möglichst fruchtbares Weib, die Frau einen Versorger für ihre Kinder, der sich bewährt hat. Nun brechen Frauen aber mit den evolutionsbiologischen Regeln. Und finden es ganz normal.
Dass der Mann in vielen Beziehungen jünger ist, zeigt sich an den Kleinigkeiten: Er spielt World of Warcraft, sie versucht Martin Mosebach zu verstehen. Sie will Sofa, Tisch, Sideboard kaufen, ein Nest bauen, er will lieber für eine Skitour im Kaukasus sparen. Dann wird er eines Tages 34 und fragt sich und seine Freundin, wann er denn Kinder kriegen soll? Sie aber hat das Thema mit inzwischen 39 fast schon abgehakt. Und plötzlich kennen diese Beziehungen doch ein ernstes Problem. Hannah sagt:« Mit 35 konnte ich kaum an was anderes denken als an Kinder, für Sebastian war das aber mit 30 gar keinen Gedanken wert. Jetzt, mit 39, habe ich das Thema langsam durch, nun fängt er damit an.«
Schillers Freund Johann Wilhelm Petersen sprach noch von einem »verwahrlosten Weib, einer wahren Mumie«, als er die acht Jahre ältere Geliebte des Dichters kennenlernte. Heutzutage äußern sich Freunde und Bekannte zurückhaltender. Sie fragen nur, warum er allein zum Beatsteaks-Konzert geht, zum Beispiel. Ihre Kollegen dagegen wollen wissen, wann er endlich zur Essenseinladung mitkommt.
Klara erzählt: »Als ich Johannes meinen Eltern vorstellte, dachten die sich: Was will sie mit diesem Jungspund?« Ein Jahr später wird Klara schwanger, Johannes freut sich gewaltig, verkauft seine E-Gitarre und handelt im Büro ein höheres Gehalt aus. Doch vor seinen Eltern hatte sie Angst: »Dass sie denken, ich wollte doch nur schnell ein Kind.« Als seine Eltern sich dann einfach gefreut haben, war sie überrascht.
Sogar Harald Schmidt schreibt in einer Kolumne: »Wir Männer kommen langsam ins Umdenken.« Vorbei die Zeiten, in denen man sich in die junge Brezelverkäuferin verliebte und vor der Karrierefrau flüchtete. »Neidisch sehen wir im Straßencafé, wie eine dralle Überfünfzigerin von ihrem Romeo mit Bananensplit gefüttert wird.« Die Beziehung zu einem jüngeren Mann scheint heute ein interessantes Modell zu sein, die Vorliebe älterer Männer zu sehr jungen Frauen dagegen wirkt fast peinlich. Ältere Frauen halten junge Männer jung, meint auch die englische Starkolumnistin Julie Burchill, die selbst mit einem 13 Jahre jüngeren Mann zusammenlebt, und fügt hinzu: »Jüngere Frauen, je liebreizender sie sind, lassen Männer einfach nur noch älter aussehen.«