Als ich meinem zukünftigen Ehemann Heiner zum ersten Mal begegnete, hatte ich einen derartigen Hass auf Männer, dass ich sein Büro mit den Worten »Ich will, dass Blut spritzt« betrat. Später hat er mir erzählt, dass er sich bei »spritzt« bereits in mich verliebt hat. Weil ich nämlich leider ein bisschen lispele und mir deshalb bei einem Wort wie »spritzt« meine Zunge ins Gehege kommt. Süß, diese wütende Frau, hat er gedacht, schade, dass sie eine Mandantin ist. Ich dagegen sah einen kleinen, bebrillten Dicken und dachte: »Na, hoffentlich ist er als Scheidungsanwalt nicht so harmlos, wie er als Mann aussieht.« Denn Harmlosigkeit war das Allerletzte, was ich damals gebrauchen konnte. Sondern einen Pitbull, der meinem treulosen Mann das Fell über die Ohren ziehen würde.
Ich war 47 und hatte die letzten 17 Jahre mit einem Mann verbracht, der hinter meinem Rücken alles Weibliche angegraben hatte, was nicht bei eins auf den Bäumen war. Meine kleine Schwester, meine beste Freundin, meine Nachbarin. Aus Rücksicht auf mich hatten alle geschwiegen. Wir waren beide Lehrer, hatten keine Kinder, aber viele Freunde, ein solides, überschaubares Glück, das ich nicht eine Sekunde in Frage stellte. Bis eines Morgens, er war unter der Dusche, sein Handy fiepte, weil eine SMS angekommen war. Und da ich noch verschlafen war und wir beide dasselbe Modell hatten, las ich: »Du hart, ich feucht, was für eine Kombi! Wenn ich nur dran denke, komme ich.« Es war eine Referendarin aus seiner Schule.
Ich war so wütend, dass ich eine Woche später die Scheidung einreichte. Zumal ich inzwischen wusste, dass die Referendarin nicht die Einzige war.
»Schon mal an einen einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmord gedacht?«, scherzte mein Scheidungsanwalt bei unserem ersten Gespräch und erklärte mir, dass dies ein juristischer Ausdruck für den Versuch ist, seinen Ehepartner dadurch loszuwerden, dass man einen gemeinsam geplanten Selbstmord als Einziger überlebt. »Reizvoll, aber zu riskant«, sagte ich. Er lachte.
Ich glaube, dass ich mich schon in diesem Moment ein bisschen in Heiner verliebt habe. Weil der Termin bei ihm, vor dem ich mich so gefürchtet hatte, ganz unerwartet entspannt war. Und seine Antwort auf meine ersten Worte – »Sie wollen Blut? Dafür bin ich da« – genau die richtige war. Er hörte zu, als ich ihm mein Eheelend auf den Schreibtisch kippte, machte sich Notizen, war Balsam für mein wundes Herz.
Am nächsten Tag rief er mich an, ein paar Fragen seien noch offen. Waren sie gar nicht, wie er mir später gestand. Dann hatte ich ein »Problem«, kurz darauf war er zufällig in der Nähe und brachte mir ein paar Unterlagen persönlich vorbei. Keiner von uns sprach es aus, aber es war ganz offensichtlich, dass wir beide ständig Vorwände suchten, um einander zu sehen.
Alles rein beruflich, redete ich mir ein, denn Heiner passt optisch überhaupt nicht in mein Beuteschema. Dafür ist er ein Spitzenanwalt, ich hatte tatsächlich den besten erwischt. Die Schriftsätze an die Anwältin meines Mannes waren so ausgefeilt und süffisant, dass er die Gegenseite damit aufs Erfreulichste verunsicherte und ich die Hälfte unseres Hauses bekam, obwohl ich nicht im Grundbuch stand. Und so wurde die eigentlich schlimmste Zeit meines Lebens zu einer unerwartet aufregenden. Obwohl nichts passierte und ich auch mit niemandem darüber redete, dass ich nachts von meinem Anwalt träumte.
Am dritten Tag nach meinem Scheidungstermin ging es mir bei dem Gedanken, diesen Mann nie wiederzusehen, so schlecht, dass mir alles egal war. Ich rief ihn an. »Ich wollte mich nur noch einmal für eine sehr angenehme Scheidung bedanken«, sagte ich und hielt den Atem an. »Kennen Sie Klaus Lage?«, fragte er. Ich wusste sofort, was er meinte. Tausendmal berührt … abends, beim Italiener, küssten wir uns noch vor dem Du.
Seit drei Jahren sind wir verheiratet. Und da ich weiß, was für ein Pitbull er als Anwalt ist, kann ich mich nie von ihm scheiden lassen.
(Protokoll: Daphne Welsand)
Illustration: George Butler