Meine Mutter hat immer gesagt, ich sei ein indianischer Typ: Sie machte sich einen Spaß daraus, mich so zu verkleiden wie auf diesem Kinderfoto. Aus Alltagsdingen, die bei uns herumlagen – Stoffe, Bänder, Holzperlen –, hat sie die wunderbarsten Verkleidungen für meine Schwester, meinen Bruder und mich gebastelt. Wir sind auf dem Land, am Lago di Varese aufgewachsen. Mode gehörte zum Alltag, als Kind hatte sie für mich darum nie etwas Glamouröses. Das Unternehmen, die Familie, die Mode – das ist bei Missoni alles eins, man kann es nicht trennen.
Heute engt mich dieser Gedanke zum Glück nicht mehr ein. Vor allem die fünf Jahre in New York haben mir geholfen, herauszufinden, was ich will. Ich war versessen darauf, für eine gewisse Zeit in dieser großen, lauten Stadt zu wohnen; wenn ich an sie denke, werde ich bis heute melancholisch. Ich habe dort innige Freundschaften geschlossen, mit meiner Nachbarin Coco in SoHo, mit der ich um die Häuser gezogen bin; mit Zac Posen, dem Designer, den ich als Freund nicht mehr missen möchte. Das Studium an der Schauspielschule, der Auftritt am Broadway in Jean Genets Theaterstück Die Zofen war wunderbar. Und notwendig. Ich musste etwas machen, was nichts mit »Missoni« zu tun hatte. Einfach, um zu merken, dass ich eine eigenständige Person bin. Erst aus der Ferne habe ich wieder gespürt, dass diese starken Familienbande großes Glück bedeuten. Nun bin ich bereit, in Mailand zu leben und mich ganz auf die Mode und die Marke Missoni zu konzentrieren. Der Mode für immer den Rücken zu kehren, wäre ein bisschen so gewesen, wie meine Familie zu verlassen.
Als Model habe ich 2006 schon für unseren Duft geworben. Und ich war in den letzten Jahren eine Art Missoni-Botschafterin auf Partys, Presseterminen und Mode-schauen von New York bis Paris. Nach meiner Rückkehr nach Mailand habe ich begonnen zu entwerfen, jetzt kümmere mich um die gesamte Accessoire-Linie. Als Mädchen wollte ich immer perfekt sein: die mit den besten Noten, die, die alles richtig macht und niemanden enttäuscht. Das hat wohl mit meiner Großmutter Rosita zu tun, der Missoni-Gründerin.
Sie war sehr fordernd, wollte immer nur das Beste für mich. Das hat mich unter Druck gesetzt, auch wenn es aus Liebe geschehen ist. Ich habe sogar ein paar Semester Philosophie studiert, um allen zu zeigen, wie gut ich bin. Das Gefühl, etwas beweisen zu müssen, ist schwächer geworden. Ich bin jetzt entspannter, sehe vieles mit Humor – nur meiner Großmutter kann ich immer noch keinen Wunsch abschlagen.
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Margherita Missoni, 27, ist ein italienisches Model, Schauspielerin und die zukünftige Erbin des Modekonzerns Missoni.
Juergen Teller