SZ-Magazin: Herr Rosso, Diesel kommt jetzt mit einem Parfum auf den Markt, dessen Flakon Ihrer Faust nachgebildet ist. Ist das Ihr Statement zur Krise?
Renzo Rosso: Die Faust ist mein Symbol für Leidenschaft und Energie, ohne die ich nicht weit gekommen wäre.
Sie wollten mit dem Kopf durch die Wand?
Als ich anfing, in den Siebzigerjahren, habe ich Jeans mit Feilen und Sandpapier bearbeitet, doch die Boutiquen haben sie zurückgeschickt, weil sie dachten, es handle sich um Ausschussware. Später hat Diesel die Werbung revolutioniert. Wir haben einfach das Produkt beiseite gelassen und stattdessen Geschichten erzählt. Aber Sie haben recht: Manchmal muss man mit dem Kopf durch die Wand.
Aber jetzt stecken wir mitten in der Krise.
Und ich sage: Wow, es ist Zeit für eine Revolution! Neue Räume, neue Märkte, eine neue Frische! Machen Sie sich keine Sorgen?
Nein. Natürlich sind auch wir betroffen, aber das ist nichts gegen andere Marken. Manche haben Umsatzeinbußen von bis zu vierzig Prozent. Ich denke gar nicht daran, jetzt nur noch zu sparen. Wer das macht, kann gleich Selbstmord begehen. Ich sehe das positiv: Für uns ist es eine große Chance. Ich hoffe, dass die richtigen Leute, die richtigen Marken, die richtigen Holdings gestärkt daraus hervorgehen.
Glauben Sie, die Modeindustrie kriegt die Kurve?
Ja. Ich denke, der Markt war zu voll. Jetzt wird aufgeräumt. Ich hoffe, dass 15 Prozent aller Firmen pleitegehen. Das wäre gut für uns alle, denn es gibt viel zu viel von allem da draußen. Zu viel, das keinen Sinn macht, das von gestern ist. Wir aber müssen eine neue Generation aufbauen. Krise ist gut. Wie ein großer Regen, wie eine Revolution.
Und was kommt dann?
Nach der Revolution wird es hoffentlich eine neue Art des Unternehmertums geben, eine neue Form des Investierens. Zu viele Firmen haben in der Vergangenheit ihr Geld zum Fenster hinausgeworfen, speziell im Luxussegment. Zu viele sinnlose Events, zu viel Dekoration, zu viel Arroganz. Und wofür? Das macht doch keinen Sinn mehr in einer Welt, in der es um so viel Wichtigeres geht.
Sie haben in den letzten Jahren viele kleine Markenfirmen gekauft: Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf oder Dsquared. Unterschiedlicher könnten Ihre Labels nicht sein. Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?
Das ist ganz einfach. Sie müssen etwas Neues, Frisches ins Spiel bringen, das kann eine neue Silhouette sein, ein neuer Schnitt, eine neue Art zu denken, eine neue Form der Kommunikation. Mein Traum ist es, eine Gruppe aufzubauen, die den nächsten Premiummarkt repräsentiert. Ich mag das Wort Luxus nicht mehr, es gehört der Vergangenheit an. Es ist bourgeois.
Wie sieht Ihre Aufgabe aus in dieser Gruppe?
Ich statte meine Marken mit all dem aus, was man braucht, um richtig arbeiten zu können: Organisation, Produktentwicklung. Ich gebe ihnen ein Vertriebsnetz, Produktionsstätten und Finanzierung. Vor allem aber gebe ich ihnen Saures.
Wie bitte?
Ich pushe meine Designer so stark, das können Sie sich nicht vorstellen.
Wie stellen Sie das an? Mit der Faust? Ich bin einfach nie zufrieden. Nie! Ich sage zu Rolf oder Martin: Nein, es ist noch nicht genug, ich will mehr! MEHR! Macht weiter, zurückrudern können wir später immer noch. Ich bin erst zufrieden, wenn ich sagen kann: Wow! Schaut, was ihr Unglaubliches vollbracht habt!
Klingt, als wären Sie ein anstrengender Chef. Werden Sie oft laut?
Oh ja, ich greife schnell zum Telefon, wenn mir was nicht passt.
Wie ertragen Designer mit großen Egos wie Viktor & Rolf das?
Wir kommen gut klar. In den kreativen Prozess mische ich mich ja nicht ein. Ich sage ihnen: Wir brauchen zehn T-Shirts, zwanzig Jacken – den Rest müssen sie allein erledigen. Andernfalls hätte ich ja bald fünf Labels, die alle das Gleiche machen. Das wäre nicht in meinem Sinne.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "In meinem Kopf herrscht durchgehend Hochbetrieb, ganz gleich ob ich Auto fahre, im Fitnesscenter oder zu Hause bin.")
Kann es sein, dass Sie so viele Designer sammeln, weil Sie selbst gern einer wären?
Nein, ich wollte nie Designer sein. Ich weiß, was funktioniert und was nicht. Und ich habe eine Vorstellung davon, was morgen funktionieren könnte. Meine Kreativität liegt im Marketing. Ich habe so viele fähige Designer um mich herum, die können ihren Job einfach besser als ich.
Warum ist Leidenschaft so wichtig?
Nur für Geld zu arbeiten ist zu wenig. Es geht doch darum, etwas zu machen, was neu, schön und anders ist. Ich habe nie für Geld gearbeitet.
Dafür verdienen Sie aber ganz gut, oder?
Ich habe nie für Geld allein gearbeitet. Ich komme aus einer Bauernfamilie, bin auf dem Hof groß geworden, wir hatten nicht viel Geld. Ich hätte kein Problem, genau so wieder zu leben. Sobald die Leidenschaft weg ist, verlasse ich die Bühne. Da gebe ich Ihnen mein Wort drauf.
Dann könnten Sie sich in aller Ruhe Ihrem Weinberg widmen.
Auch da geht es um Energie, um Qualität und Reife. Man braucht Geduld. 1999 fing ich an, und Jahr für Jahr ist der Wein besser geworden. Inzwischen verkaufe ich ihn an angesehene Restaurants weltweit.
Vielleicht ein neues Standbein?
Nicht wirklich. Es ist zwar ein stattlicher Weinberg, aber am Ende mache ich weniger Jahresumsatz damit als mit einem einzigen Laden in Berlin.
Ist es eigentlich nicht anstrengend, so viel gleichzeitig zu machen?
Und ob. In meinem Kopf herrscht durchgehend Hochbetrieb, ganz gleich ob ich Auto fahre, im Fitnesscenter oder zu Hause bin. Mein Kopf, er gibt einfach keine Ruhe.
Sie haben einfach zu viel Energie.
Meine Freundin sagt immer: Renzo, relax! Aber ich bin pausenlos am Rennen. Konferenz hier, Präsentation da. Glauben Sie mir, ich würde so gern etwas runterkommen, aber es klappt einfach nicht. Haben Sie nicht einen Tipp für mich?
Yoga?
Mein Yogatrainer… ach, lassen wir das… Mein Problem ist eher die Konzentration auf eine Sache. Yoga ist gut für den Körper. Atmen. Stretching. Was jedoch das Meditieren und die Konzentration betrifft, nun, da hapert es bei mir. Ich würde so gern… ich kann nicht still sitzen. Es gibt auch Momente, da fühle ich mich richtig beschissen.
Was machen Sie dann?
Dann gehe ich runter zu meinen Designern, den jungen Leuten. Sie sind so anders als ich, sie machen so viele Sachen, sie beherrschen die neuen Technologien. Die Art, wie sie ihre Kleider tragen, wie sie Lösungen suchen. Puuh, das ist doch das Größte! Die halten mich in Schuss. Und ich bin doch in Schuss, nicht wahr?
RENZO ROSSO, 53, gründete 1978 das Label Diesel, das mit Jeans im Used-Look weltberühmt wurde. In den letzten Jahren hat er seine Marke nicht nur um diverse Linien, Kosmetik und Taschen erweitert, sondern auch prestigeträchtige Labels übernommen wie Martin Margiela, Viktor & Rolf und Dsquared. Rosso lebt im norditalienischen Städtchen Molvena. Dort ist auch sein Firmensitz. Er ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen und vier Töchtern. Der neue Männerduft von Diesel »Only the Brave« kommt ab März in den Handel.
Foto: Terry Richardson