Ich verspüre Genugtuung beim Schreiben dieser Zeilen. Warum? Weil ich seit Jahren Mützen trage in der Redaktion, also im Büro, genau: drinnen! Oft sogar im Sommer. Genauso lange musste ich mir deswegen Sprüche von den Kollegen anhören, ich habe sogar den Spitznamen »Mütze« bekommen. Und dann, letzte Woche, kommt die Moderedakteurin in mein Zimmer und sagt: »Marc, kannst du einen Text schreiben über Mützen, die man im Sommer trägt? Bei den großen Modenschauen ist das ein Trend.« Ach, sieh an.
Das Mützen-drinnen-Tragen habe ich nicht erfunden, aber ich trage sie lange genug, um mich jetzt als Trendsetter fühlen zu dürfen. Ich versuche mich zu erinnern, wann das bei mir angefangen hat mit dem Mützentragen im Sommer. Ich denke: Mitte der Neunzigerjahre, beim Skateboardfahren. Münchens Skater hatten im Sommer oft Mützen auf. Weil die Skater in Kalifornien das auch gemacht haben.
Aber warum trägt man so was bei 30 Grad im Sommer? Die Mütze gehörte mit den Baggy Pants, also sehr weiten Hosen, zur Ausgehuniform des Skaters, zur optischen Abgrenzung zum Rest der Bevölkerung, der nur den Kopf schüttelte im Vorbeigehen: Mütze! Im Sommer! Und diese Hosen! Genau das will man als Jugendlicher: auffallen. Die Wollmütze war zudem eine Art Schutzhelm: Weil sie bei Stürzen den Schmerz am Kopf etwas mindert, und weil man sich unter einer Mütze gut vor der Welt verstecken kann – damals mit den riesigen Selbstzweifeln eines Teenagers, heute nach missglückten Friseurbesuchen und vor der Erkenntnis, etwas spießig geworden zu sein, später dann mal bei Haarausfall.
Der erste Prominente, der Mützen außerhalb der dafür vorgesehenen Monate Oktober bis Februar trug, war für mich David Beckham. Später auch Ashton Kutcher. Kombiniert mit teuren Anzügen. Sah gut aus. Die Indoor-Mütze, die jetzt die Laufstege erreicht, war zuvor schon in Großstadtclubs, hippen Cafés und Designerbüros angekommen. Der erwachsene, berufstätige Mann wollte sich mit der Mütze im Sommer, denke ich, etwas vom Skater-Snowboarder-Surfer-Lebensgefühl seiner Jugend zurückholen, eine Spur Rebellion ins Großraumbüro tragen. (Wer Indoor-Mützen bescheuert findet, könnte sie auch als Zeichen für ungewaschene Haare, Angst vor dem Erwachsenwerden oder Respektlosigkeit deuten.)
Neu am aktuellen Indoor-Mützentrend sind die Frauen: Models, die wie bei Jil Sander in eleganten Kleidern zu Hip-Hop-Musik mit »Skaterboy«-Mütze über den Laufsteg staksen. Als ich die Fotos sah, dachte ich zum ersten Mal: Mützen im Sommer? So ein Blödsinn. Aber das lag nur an den Models. Die Besitzerin meines Lieblingscafés trägt ab und zu Mützen hinter der Theke, ihr steht es.
Soll man also Mützen im Sommer tragen? Ja, aber nur wenn man nie über Mützen tragende Skater gelacht hat, Ashton Kutcher ist oder zumindest Cafébesitzerin.
Illustration: Aurore de la Moriniere c/o Renate Gallois Montbrun