»Man sollte nicht anders aussehen, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern weil man tatsächlich anders ist«

Der Sänger Mika über seine popkulturellen Heldinnen, libanesische Priester und gemeine Mitschüler.

    Das Foto zeigt mich und meine kleine Schwester Zuleika. Wir lebten damals in Paris. Meine Mutter machte Kleider für Kinder, die zum Beispiel in den Galeries Lafayette verkauft wurden. In unserer Wohnung arbeiteten Tag und Nacht Schneider. Es herrschte Anarchie und Chaos. Ich durfte meine eigene Kleidung entwerfen. Am liebsten trug ich kurze Hosen, darüber Rüschenhemden und Fliege, so wie meine älteren Schwestern. Direkt unter uns wohnte Madame Mitterrand, die Frau des französischen Präsidenten. Jedes Mal, wenn er in das Appartement kam, trampelten wir wie wild auf dem Boden herum, um seine Bodyguards zu ärgern.

    Ein ausgeprägtes Gefühl für Mode hatte ich nie. Auch Modemagazine habe ich nie gelesen, sondern lieber mit Spielzeug- pistolen und Feuerwerkskörpern gespielt. Die Idee, Mode in einem teuren Laden zu kaufen, langweilte mich genauso wie die Modeschauen, auf die mich meine Mutter mitnahm, wenn sie keinen Babysitter für mich hatte. Ich saß nasebohrend in der Dior-Show und hoffte, dass es bald wieder vorbei war. Ich habe es gehasst.

    Aber die Sängerinnen Nina Simone und Barbara habe ich geliebt. Beide hatten kurze, schwarze Haare, schwarz geschminkte Augen, einen klassischen, zeitlosen Look. Und ihre Musik machte einen unglaublich glücklich, traurig zu sein. Die beiden waren meine popkulturellen Heldinnen. Männer fand ich, was Style anging, weit weniger interessant. Der Einzige, der mit seiner Kleidung wirklich Eindruck auf mich machte, war der libanesische Priester, der dreimal in der Woche zu uns kam.

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    Als wir nach London zogen, war ich in der Schule der Außenseiter. Die coolen Kids waren sehr gemein zu mir. Ich wollte mich verstecken, klammerte mich an die Schuluniform.

    Eines Tages führten wir Cabaret auf. Ich spielte einen heroinsüchtigen, selbstzerstörerischen, total androgynen Ansager und trieb es extrem auf die Spitze. Von da an ließ man mich in Ruhe. Ich war so weit gegangen, dass es die Leute mit der Angst bekommen hatten.

    Ein Goth oder Punk war ich nie. Man sollte nicht anders aussehen, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern nur, weil man tatsächlich anders ist. Trends bedeuten mir nichts und ich habe keinen eigenen Style. Hatte ich nie und werde ich auch nie haben. Ich habe Anziehsachen, die mir gefallen, das ist es.

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    Mika, 26, libanesisch-britischer Popmusiker, konnte auch mit seiner neuesten Single "Rain" wieder einen Hit landen. Vom 20. bis 30. März ist er auf Deutschland-Tournee.