Pullunder, Bluse, Lackgürtel und Hose von Louis Vuitton.
Ich erinnere mich an eine Party in Berlin, auf der eine Horde schwer betrunkener Skandinavierinnen eine Mietwohnung in Schutt und Asche tanzte – während ich auf einer Fensterbank saß und an den dunkelblauen Wollfasern meines neuen Pullunders zupfte. Da kam eine schöne Finnin auf mich zu, mit einem Besenstiel in der Hand. Sie zeigte auf meinen Pullunder und sagte: »Ausziehen!«
In der Mode werden üblicherweise keine vernünftigen Sachen gemacht: Kleidung hat nicht praktisch oder hilfreich zu sein, sondern »kompromisslos« oder »einzigartig«, denn Kunden kaufen lustigerweise lieber eine »kompromisslose Hose« als eine »vernünftige Hose«. Dass nun in den Kollektionen der Pullunder auftaucht – ein sehr praktisches, aber modisch kaum ernst zu nehmendes Halbwesen für Menschen, die nicht genau wissen, ob sie später vielleicht doch noch ein bisschen frieren –, ist ein interessantes Experiment der Designer. Lässt sich sogar ein Pullover ohne Ärmel als extraschickes Ding vermarkten?
Ich folgte der Aufforderung der schönen Finnin, zog meinen Pullunder aus, geschmeichelt. Sie nahm ihn, steckte den Besenstil durch die Armöffnungen, lächelte und ging. Es stellte sich heraus, dass ihr mein Pullunder als praktisches, aber auch verzichtbares Kleidungsstück vorkam. Mit ihrer selbst gebauten Fahne winkte sie den Nachbarn auf der anderen Straßenseite, bis der Pullunder vom Besenstiel herab unauffindbar in die Berliner Nacht fiel.
(Styling: Almut Vogel; Stylingassistenz: Marie-Therese Freise; Fotoassistenz: Alex Orjecovschi, Sarah Kühl/Lb Studios; Haare: Luciano De Medeiros; Make-up: Masae Ito; Model: Milana Kruz/Women)
Foto: David Bornscheuer