Zwischen Geht-Nie und Wahnsinn

Modedesigner? Prima Job. Wenn nur nicht ab und zu der Teufel im Detail stecken würde. Wir haben bei den wichtigsten nachgefragt, was sie an der Arbeit verzweifeln lässt.

    Unser Perfektionismus ist für andere eine Qual. Von tadellosen Schnitten reden wir gar nicht erst, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wirklich auf die Spitze treiben wir es bei der Modelauswahl. Wie viel Mühe und Nerven wir schon in Castings gesteckt haben, in der Zeit hätten wir eine zweite Kollektion entwerfen können. Gut aussehen? Reicht bei uns lange nicht. Wir brauchen Mädchen mit Grips und Fantasie!

    Domenico Dolce, 53, und Stefano Gabbana, 49, gründeten 1985 das italienische Modelabel Dolce & Gabbana.

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    Stoffe haben es in sich! Immer wenn die Stoffe vom Lieferanten kommen, gefallen sie mir erst mal gar nicht, obwohl ich sie ja ausgesucht und bestellt habe. Ich muss sie bearbeiten, verändern, zerschneiden, auftrennen, wieder zerschneiden und wieder ganz neu zusammensetzen. Eigentlich fast jedes Mal.

    Consuelo Castiglioni, 52, gründete 1994 mit ihrem Mann Gianni das Label Marni.

    Wenn man drei Paar Schuhe in den Koffer packt, ist der Koffer voll. Das hat mich immer sehr genervt beim Verreisen. Darum habe ich mir eine Sandale ausgedacht, die man mit ein paar Handgriffen zerlegen kann. Dann ist sie platt wie eine Flunder.

    Kim Jones, 32, war Stylist und Artdirector und entwirft jetzt die Männerlinie für Louis Vuitton.

    Wenn die Musterteile für die Modenschauen geschickt werden, bin ich so nervös, dass ich die Nacht vorher kaum schlafen kann. Einmal wurde ein Seidentop 15 Zentimeter zu kurz geliefert. So hätte man es nie zeigen können. In unserer Not haben wir einen Lederrock genommen, ihn ans Oberteil genäht und das Ganze als Kleid präsentiert.

    Eyan Allen, 40, ist Chefdesigner von Hugo Boss. Er lebt in Metzingen und Brooklyn.

    Zerstörung kann reizvoll sein

    Wir wohnen in der Nähe des San-Andreas-Grabens, und ich kann mich an ein Erdbeben erinnern, bei dem jede Menge Geschirr zu Bruch ging. Meine Schwester und ich waren fasziniert von den Scherben und stellten fest, wie reizvoll Zerstörung sein kann. So ist das leider. Es muss erst etwas kaputtgehen, damit etwas Neues entstehen kann. In der Mode machen wir es genauso!

    Kate Mulleavy, 33, und ihre Schwester Laura, 31, sind das Design-Duo Rodarte. Sie entwarfen u. a. die Kostüme für den Film »Black Swan«.

    Als junger Designer habe ich geglaubt, es komme allein auf das Talent an. Stattdessen muss man sich vor allem gut verkaufen können. Darum habe ich zu Beginn meiner Karriere eine dieser riesigen Werbewände am New Yorker Times Square gemietet und meine Plakate direkt neben denen der damals ganz Großen platziert, neben Ralph Lauren und Calvin Klein. Dass man laut sein muss, auch wenn man lieber leise wäre, stört mich am meisten an unserem Beruf.

    Tommy Hilfiger, 60, ist einer der bekanntesten Modedesigner der USA.

    Ich kann nicht arbeiten, wenn mich jemand hetzt. Wenn im Atelier ständig ein Handy klingelt und wenn die Kollegen ihre Schreibtische nicht aufräumen. Manche Menschen finden Unordnung inspirierend. Ich gehöre nicht dazu.

    Marco Zanini, 40, lernte bei Donatella Versace und ist Chefdesigner von Rochas.

    Falsche Nähte, schlechte Schnitte? Ich habe ein ganz anderes Problem: Schokolinsen. Sie stehen bei uns in den Läden, damit die Kunden sich wohlfühlen. Sie stehen aber auch bei uns im Atelier, und ich kann nicht aufhören, sie zu essen. Warum? Um mich zu beruhigen. Denn die Kollegen machen mich nervös. Ich würde lieber allein arbeiten.

    Der kalifornische Designer Rick Owens, 50, entwirft für sein eigenes Label. Er lebt in Paris.

    Mode ist wie Schokolade. Nur ohne Kalorien.

    Da näht man monatelang an den Sachen, gibt sich alle Mühe und ist erst zufrieden, wenn auch das letzte Detail stimmt. Dann präsentiert man seine Entwürfe zum ersten Mal vor Publikum und stellt fest: Die gucken ja gar nicht richtig hin. Die tuscheln viel lieber mit ihrem Sitznachbarn. Ganz ehrlich, das ärgert mich maßlos. Und ich finde auch, das macht man nicht.

    Thakoon Panichgul, 37, stammt aus Thailand und lebt in New York. Michelle Obama trägt seine Kleider.

    Eigentlich müsste ich den Beruf wechseln. Ausgerechnet ich habe eine Stauballergie. Sobald ich Wolle oder alte Textilien anfasse, juckt es mich überall, und ich muss mich kratzen. Flohmärkte, Antiquitätenläden, Orte, an denen ich gern stöbere, um auf Ideen zu kommen, kann ich ohne Antihistamine vergessen. Manchmal ist es so schlimm, dass ich nicht weiterarbeiten kann.

    Veronica Etro, 37, ist für die Damenkollektion von Etro zuständig.

    Mode ist wie Schokolade. Nur ohne Kalorien. Etwas zum Wohlfühlen also, etwas Gutes. Um Gutes herzustellen, braucht man Zeit. Die haben wir Designer nicht mehr. Wir müssen immer schneller, immer billiger produzieren. Ich habe das mal durchgerechnet: Wir machen sechs bis acht Kollektionen im Jahr, die Karriere dauert im Schnitt 20 Jahre, in dieser Zeit kommt man auf gut 150 Kollektionen. So. Und das vergleichen Sie jetzt mal mit anderen kreativen Berufen. Welcher Schriftsteller schreibt schon 150 Bücher? Das schafft nicht einmal Danielle Steele.

    Alber Elbaz, 50, ist seit 2001 Kreativdirektor bei Lanvin.

    Um die Idee meiner Kleider während einer Show fühlbar zu machen, brauche ich die passende Musik. Das kann lange dauern. Für die schnelle Modewelt zu lang. Glücklicherweise arbeite ich mit dem besten Sounddesigner zusammen, den man haben kann: Michel Gaubert. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen.

    Raf Simons, 44, ist Kreativdirektor bei Jil Sander und lebt in Antwerpen.

    (Fotos: Ellen von Unwerth, Julian Broad, Jens Mortensen, Sergio Calatroni, Patrick Dembski, Max Vadukul, Autumn de Wilde, Anzenberger, fotogloria, intertopics, plainpicture, Stills-Online, Photo Press Service Vienna, ddp, Getty, F1online, action press)