Ein Strand wie auf Long Island
Dahinter: der Welt längste Tramstrecke
Ebbe und Flut, wie es sich für ein Meer gehört. Wenn sich das Wasser zurückzieht, bilden sich Priele, Wasserläufe im Watt, die dazu einladen, hindurchzurennen wie ein Kind. Und wenn der Wind kräftig bläst, was häufig geschieht, ist der Kopf in Sekundenschnelle leer gepustet, endlich mal. Die belgische Küste ist nicht lang, 67 Kilometer, aber man kann sie ganz und gar am breiten Sandstrand ablaufen. In den Orten dahinter sind Promenaden, dazwischen Dünen, unbesiedelt, naturgeschützt. Wenn man nicht mehr gehen mag, nimmt man die »Kusttram« , die die ganze Küste von De Panne bis Knokke entlangfährt und 69-mal hält – die längste durchgehende Straßenbahnstrecke der Welt.
Weiter Himmel
Pappeln, Alleen, flaches Land – so weit das Auge reicht
Belgier und Holländer, heißt es, essen ähnlich schwer wie Amerikaner. Doch werden sie nicht so dick, denn sie fahren viel Fahrrad, das flache Land verführt dazu – schon mal ein Vorteil der Landschaft. Und wie manche Menschen die Berge nicht missen möchten, brauchen andere den Himmel über Flandern, weit und luftig und dramatisch. Hier begegnet das Auge dem Horizont wie sonst nur am Meer. Und die Wiesen, von Kanälen durchzogen, von Pappelalleen gesäumt, sehen aus wie gemalt, von Peter Paul
Rubens höchstpersönlich.
Schmucke Villen
Fachwerk, Erker, rote Dächer – die Häuser hier sind leider teuer
Einige Belgier sind im Kongo ziemlich reich geworden, sie fahren Rolls-Royce und SUV, ihnen gehören Ferienhäuser in Knokkes schickem Stadtteil Het Zoute. Eines kostet leicht mehrere Millionen Euro. Im Seebad De Haan, dem Schmuckstück der Küste, machen Brüsseler, Pariser und Rheinländer im Conzessje-Viertel Urlaub; hundert, zweihundert Meter sind es bis zum Meer: hübsche Villen im normannischen Stil, rote Dächer, spitze Giebel, Fachwerk, Sprossenfenster, blühende Gärten. Teuer. Selbst für unrenovierte Bauernhöfe aus roten Ziegeln in den Poldern, auf den Feldern im Hinterland, muss man 800 000 Euro bezahlen – sie sind unter Großstädtern jetzt besonders begehrt.
Schwere Biere
Würze, Süße, Prozente – aus einem Getränk wird ein Drink
Im Vergleich zu einem Grimbergen schmeckt ein Pils schal. Und der Kelch, in dem das goldene, etwas trübe Grimbergen ohne zu viel Schaum leicht vor sich hin sprudelt, macht es zu einem: Drink. Zu jeder der vielen belgischen Biersorten gehört übrigens ein spezielles Glas. Und es ist keinesfalls übertrieben zu schwärmen: Grimbergen ist süß und würzig, mild hopfig, leicht fruchtig, ungemein voll, kein bisschen bitter. Weil den Belgiern das gesellige Biertrinken wichtig ist, sind die unzähligen Kneipen voll. Tipp: das »Trappistenhuis« in Gent, »’t Brugs Beertje« in Brügge.
Alte Städte
Brügge, Gent, Damme – sehenswert wie Venedig
Brügge sehen … und sterben? ist der bescheuerte Titel eines spannenden Films mit Colin Farrell und Ralph Fiennes. Sagen wir es lieber so: Brügge ist eine der schönsten Städte der Welt, nicht mehr – aber auch nicht weniger. Darum wurde der mittelalterliche Kern der Stadt zum Weltkulturerbe erklärt. Man möchte eine Million Fotos machen, jedes Haus wäre es wert, jede Gracht, jeder Platz. Die Gassen. Die Pferdekutschen. Eine Bootsfahrt über die Kanäle dauert eine halbe Stunde und ist das Beste, was man unternehmen kann, wenn man nur wenig Zeit hat. Auch in Gent. Dort stehen reich verzierte Gildehäuser am alten Hafen und man kann abends im NTGent mutiges und modernes Theater sehen.
Feine Küche
Pommes, Muscheln, Pralinen – nur die Franzosen glauben, dass sie besser essen
Zum »Kaffee verkehrt«, einem Kaffee, bei dem der Milchanteil überwiegt, gibt es in der »Auberge des Rois« in De Haan eine Mini-Mousse-au-Chocolat mit Sahnehäubchen. Auch am Abend würden Belgier einen Aperitif nie ohne Knabberzeug anbieten. Und während man in Frankreich die Bouillabaisse Tage vorher bestellen und mit mehreren Personen essen muss, kann man die Nordseebouillabaisse mit frischen Fischen und Nordseekrabben im reizenden »Molenhuys« in Vlissegem von jetzt auf gleich als große und als kleine Portion bekommen. Die flämische Küche ist das Gegenteil von leicht und mediterran – die Sauce Bernaise zum Steak ist herrlich schwer, der warme Schafskäse profitiert von den karamellisierten Äpfeln darauf. Zudem sind die Belgier große Imbissfans und Erfinder von Moules-Frites (Miesmuscheln mit Pommes) und Garnelenkroketten. Dennoch kommen in Flandern auf jeden Einwohner mehr Michelin-Sterne als in Frankreich. Wie gut belgische Schokolade und Waffeln sind, weiß ja ohnehin jeder.
Der Fotograf: Felix Brüggemann, 39, kam bisher nie weiter als Brüssel. Nach der ersten Nacht in Blankenberge (ein nicht so schöner Ort, das gibt es natürlich auch) war er deprimiert und ratlos; doch dann folgte dieses außergewöhnliche Ostern 2011: Sonne, 28 Frad, leichter Wind, der Strand. Und er verstand.
Fotos: Felix Brüggemann