Wer auf die Toteninsel in Venedig kommt, ist entweder tot oder todtraurig. Oder eben Tourist. Die schwappen genauso gleichmäßig aus den vaporetti an der Anlegestelle auf die Insel San Michele wie das Wasser an die roten Ziegelmauern rundherum. Zur Toteninsel wurde San Michele nur, weil Napoleon die Venezianer davon abhalten wollte, ihre Verstorbenen kreuz und quer unter den Steinplatten mitten in der Stadt zu beerdigen. San Michele ist aber nicht die einzige Toteninsel, sondern sie hat noch eine geheimnisvolle Schwester, Sant’ Ariano.
Auf der Insel bei Torcello im Norden der Lagune stapeln sich meterhoch die Gebeine Tausender Venezianer, die jahrhundertelang dort abgelegt wurden, weil sie auf San Michele keinen Platz mehr hatten. Passenderweise wird die Lagune bei Sant’ Ariano laguna morta genannt wegen der nicht mehr bemerkbaren Gezeiten. Heute traut sich niemand mehr dorthin: nicht nur wegen der undurchdringlichen Brombeerbüsche, sondern weil es dort angeblich eine Schlangenplage gibt. Weil es einst zu »Zwischenfällen« zwischen Nonnen und Mönchen in dem ehemaligen Kloster kam, wurde die Insel kurzum entvölkert. Genau das würde sich San Michele manchmal wünschen. Ein bisschen mehr Raum soll jetzt der britische Architekt David Chipperfield schaffen, der die Toteninsel um 60 000 Quadratmeter erweitert und sogar eine Terrasse anbaut. Von dort hat man dann ab 2013 einen wunderschönen Blick auf Venedig; so lange, bis das letzte Busboot gegen halb zwölf Uhr abends ablegt. Das mit der Totenruhe wird also nichts. ---
Übernachten Das Hotel Locanda Fiorita liegt nahe dem Campo Santo Stefano, einem der größten Plätze. Kitschig plüschige Zimmer. San Marco 3457, Venedig, Tel. 0039/041/523 47 54, www.locandafiorita.com, DZ ab 80 Euro.
Essen Genau gegenüber der Toteninsel auf einer Terrasse sitzen und auf die Lagune gucken: Algiubagio, Fondamenta Nuove, www.algiubagio.net.
Unbedingt auf den Campanile der Insel San Giorgio Maggiore klettern (gegenüber vom Markusplatz): besserer Blick auf die Stadt und keine langen Schlangen; mit den Venezianern feiern (z. B. das Salute-Fest am 21. November); das neue Museum von François Pinault besuchen: Punta della Dugana, www.palazzograssi.it.
Olivier Kugler (Illustration)