Glänzende Arbeit

Gutes Design kann sich Zurückhaltung leisten. Deshalb setzt es immer häufiger auf matte Oberflächen (und ja, das verrät einiges über den Zustand unserer Welt)

Wir leben in glanzlosen Zeiten. Ob Autos oder Computergehäuse, Badezimmer-Armaturen oder jetzt sogar die Nagellackfarben: Die Oberfläche der Dinge, die uns umgibt, wird langsam matt. Dass lackierte Oberflächen glänzen sollen, ist bis vor Kurzem ästhetischer Standard gewesen. In der Reflexion des Sonnenlichts treten die Dinge in Beziehung zur Außenwelt, und die Botschaft, die von ihrem Glanz ausgeht, ist eindeutig: Die Gegenstände stellen sich zur Schau, verkünden ihren Wert und ihre Schönheit; jedes glänzende Ding will Schmuck sein. Auf die Spitze getrieben, hat diese Ästhetik des Glanzes Anfang des Jahrhunderts unter dem Namen Bling-Bling für Furore gesorgt.

Mattes Design, an Autos etwa, hat es bis vor kurzer Zeit so gut wie nicht gegeben. Sebastian Ludwig von »Avus Performance«, der ersten Firma, die diesen Service in Deutschland angeboten hat, sagt, dass mattschwarze Autos erst seit Anfang 2008 gefragt sind. Die meisten werden mit Folie bezogen. Allein in den letzten Monaten hat der Berliner Autotuning-Betrieb mehr als hundert Wagen der Luxusklasse umgestaltet. Das matte Design formuliert eine andere Aussage: Von den merkwürdig zweidimensional wirkenden Dingen geht Askese und Selbstbezogenheit aus, so als würden sie sich von der Außenwelt abkapseln wollen. Doch womit genau hat diese neue ästhetische Vorliebe zu tun, die man inzwischen in jedem Auto- und Einrichtungshaus, in jedem Elektronikgeschäft sieht? Womöglich ist das matte Design als ästhetischer Reflex auf unsere zurückgenommene, krisenhafte Zeit zu verstehen. Die lichtundurchlässigen Oberflächen verweisen auf die kollektive Ernüchterung nach dem Einbruch der Wirtschaftsordnung.

Und ist das nicht der bestimmende Eindruck, wenn man jene mattschwarzen Geländewagen sieht oder jene mattschwarzen Armbanduhren, wie sie gerade Konjunktur haben? Der Wohlstand der Besitzer wird nicht mehr hinausposaunt, sondern zeigt sich diskret. Gleichzeitig sollen die Dinge ihre Eigentümer mit einer Art Schutzschicht umgeben; die matten BMWs oder Porsche Cayennes, die in München immer häufiger zu sehen sind, haben etwas von Panzerwagen. In einer Zeit, in der sich die Menschen eher einigeln als aufspielen wollen, liefert das matte Design die passende Umhüllung. So lang, bis wieder glanzvollere Zeiten anbrechen.