Ach, könnte man denken, wieder so ein junges Berliner Modelabel, eines von vielen in der Stadt, deren Lebendigkeit und Unfertigkeit ständig kreative Köpfe anzieht – bis man sie am Schluss kaum noch auseinanderhalten kann. Perret Schaad sind anders.
Die Designerinnen Johanna Perret und Tutia Schaad leben in Berlin und lieben die Stadt, aber sie biedern sich ihr nicht an. Der Name ihres Labels, Perret Schaad – die Nachnamen der beiden, das muss reichen, das klingt auch international gut und so nüchtern wie ein Architekturbüro. Oder wie die Mode, die Johanna Perret und Tutia Schaad entwerfen: nicht bemüht nachlässig oder verrückt dekonstruiert, sondern elegant und klar, die Schnitttechnik ausgereift, die Stoffe edel. Kurzlebige Trends sind den beiden zuwider, auch in 15 Jahren soll man in ihren Kleider noch gut aussehen und sie genauso gern anziehen wie am ersten Tag – darum geht es ihnen.
Perret Schaad machen Mode ohne Chichi und dennoch im Detail besonders: lockere Hemdblusenkleider, Mäntel und Hosen mit skulpturenhaften, eckigen Schnitten, ungewöhnliche Farb- und Materialkombinationen. Mango trifft auf Lachs und Wolle auf Chiffon und Lack. »Wir mögen Materialien, die mit Klischees behaftet sind und die wir neu interpretieren können«, sagt Tutia Schaad. »Ein Stoff wie karierter Filz etwa, bei dem man an altbackene Ökos denkt, interessiert uns: Wie kombiniert und schneidert man ihn, damit daraus etwas Neues entsteht, das man unbedingt haben möchte?«
Tutia Schaad, 28, ist in Vietnam geboren, mit sieben Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Lausanne in die Schweiz. Eigentlich heißt sie Thu Trang, Spitzname Tutia. Schon als Kind hat sie am liebsten Menschen in den verschiedenen Gewändern gemalt und davon geträumt, jeden Tag ein anderes Kostüm zu tragen, mal eine Prinzessin zu sein und mal ein Cowboy. »Hanoi war grau und arm«, sagt sie mit leichtem französischem Akzent. »Nur an einen Stand mit vielen bunten Strumpfhosen erinnere ich mich – meine Mutter ist mit dem Rad immer einen großen Bogen um ihn gefahren, weil ich jedes Mal geschrien habe: ›Mama, ich will das haben!‹ «
Wie Tutia Schaad beginnt auch die 27-jährige Johanna Perret einen Satz auf Deutsch und beendet ihn auf Französisch: Sie ist in München geboren und ebenfalls zweisprachig aufgewachsen, die Mutter Deutsche, der Vater Franzose. Johanna Perret ist am Starnberger See aufgewachsen. Ihren Wunsch, Modedesignerin zu werden, haben die Eltern unterstützt; ihr Vater ist Architekt, die Mutter hat Kunst studiert – dass auch die Tochter kreativ ist, erschien allen ganz normal.
Auf der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee lernten sie sich kennen, letztes Jahr entwarfen sie dort zur gleichen Zeit ihre Diplomkollektion und arbeiteten zwischendurch im Pariser Designstudio von Givenchy. Während des Diploms hat sich jede immer wieder die Meinung der anderen eingeholt. »Dabei haben wir gemerkt, dass wir ähnlich denken und arbeiten, wir haben sogar die gleichen Stoffe bestellt«, erzählt Johanna Perret. »Außerdem essen wir beide gern gut, das ist auch wichtig, wenn man eng zusammenarbeitet.«
Die große Chance kam mit IMG, der International Management Group. IMG ist Sportrechtevermarkter, Modelagentur und Veranstalter unter anderem der New Yorker und der Berliner Fashion Week. Perret Schaad nahmen an einem Wettbewerb teil, IMG wurde auf die beiden Frauen aufmerksam und unterstützte sie, eine erste, gemeinsame Kollektion auf der Berliner Modewoche im vergangenen Januar zu zeigen. Ein Experiment – weder IMG noch die beiden Designerinnen wussten, was dabei herauskommen würde. »Die Töchter Jil Sanders« wurden sie anschließend genannt. Ihre schlichten, eleganten Schnitte treffen den Nerv der Zeit – das zeigt auch der Erfolg von Phoebe Philo bei Céline. Seit sie vergangenes Jahr das leicht angestaubte Modehaus mit ihren klaren Entwürfen in die Zukunft geholt hat, gehört es zu den gefragtesten Labels der Gegenwart.
Jetzt im Herbst hängt die erste Kollektion von Perret Schaad in den Läden, in Berlin, in Hongkong, in Tokio, Seoul und New York. Noch haben Tutia Schaad und Johanna Perret Nebenjobs, die eine in einem Showroom, die andere in einer Boutique, allein von ihrer Mode können sie noch nicht leben. Sie träumen von einem privaten Investor, eine Art Mäzen, der sie finanziert, bis sie Fuß gefasst haben. Möge ihr Traum Wirklichkeit werden – nur: Sie schaffen es sicher auch ohne ihn ganz nach oben.
Fotos: Marcus Gaab