Früher habe ich manchmal gelogen, wenn ich von meinen Weihnachtsgeschenken erzählt habe. Ich sagte dann, ich hätte eine Karaoke-DVD von Eminem bekommen. Oder das »Nokia 3410«, das mit »Snake II« als Spiel. Da haben meine Freunde anerkennend genickt. Es ist nicht so, dass ich die vielen Bücher nicht mochte, die mir meine Eltern schenkten. Doch noch während wir uns über Wiener Würstchen und Kartoffelsalat beugten, neben mir die frisch ausgepackte Obama-Biografie, surrte mein Handy ununterbrochen. Das Vergleichen unter Freunden hatte begonnen. Die glücklichsten Kinder der 2000er hatten unkreative Eltern: Wer einen Gutschein ergattert hatte, traf sich in den ersten beiden Weihnachtstagen. Gemeinsam wurde die Computerbild studiert, über Vor- und Nachteile von Apple debattiert. Am Ende stand auf einer Liste, wer was kaufen musste, damit sich der Freundeskreis perfekt ergänzte.
Das gemeinsame Kaufen und Ausprobieren wurde intensiver zelebriert als der Heilige Abend. Um dabei zu sein, sparte ich 2004 wochenlang, ging am 23. Dezember zu Saturn und schenkte mir einen 20-Euro-Gutschein. Meinen Eltern habe ich die Bücher nie verübelt, konnten sie sich doch einfach kein schöneres Geschenk vorstellen. Dieses Jahr haben sie geplant, eine Bibliothek in den Garten zu bauen, nachdem ihnen ein Architekt eröffnete, unser Haus würde unter der Last so vieler Bücher zusammenbrechen. Als 2008 die Wirtschaftskrise den Geschenkewahn drosselte, beichtete ich meinen Freunden die Lügen. Sie lachten über mich. Doch ihr Tamagotchi ist heute längst tot, der »iPod Classic« überholt. Und meine Bücher schmücken weiter die Wohnzimmerwand.
(Lena Niethammer ist Jahrgang 1989.)