Concetta Tatti, 31

Ewing-Sarkom, Diagnose im Jahr 2002

    31. Januar 2008
    Meine Mama und mein Papa waren sehr stolz auf mich und meinen Mut, so offen über alles zu reden. Meine Schwester und mein Bruder fanden es einfach nur cool, dass ihre Schwester in der Zeitung war – und dann auch noch auf dem Titelbild. Auch meine Freunde waren begeistert. Am Tag nach Erscheinen des Magazins hat mich eine alte Freundin angerufen. Sie hat sich so gefreut. Ich kenne sie, seit ich elf Jahre alt bin. Bei ihr habe ich das Laufen gelernt, denn viele Jahre war sie meine Physiotherapeutin. Einer anderen Freundin hat sie voller Stolz erzählt, was aus mir trotz vieler Tiefen geworden ist. Diese Reaktion fand ich am schönsten, weil ich merkte, dass sie wirklich von Herzen kam.

    In gut einer Woche fahre ich mit meiner Mutter und meinem Bruder in den Urlaub. Wir besuchen meine Oma in Sardinien, weil sie ihren 90. Geburtstag feiert. Da freue ich mich schon total drauf. Aber bevor ich fliege, lasse ich mein Blut überprüfen. Das muss ich ohnehin alle vier bis sechs Wochen machen lassen. Nicht dass der Krebs zurückkommt oder meine Behinderung schlimmer wird. Ich will wissen, dass alles in Ordnung ist, bevor ich verreise. Ich möchte nämlich ungern im Ausland ins Krankenhaus. Deshalb lasse ich mich vorher durchchecken. Wenn mir die Ärzte vom Urlaub abraten, dann bleibe ich zuhause. Da geht meine Gesundheit vor. Auf Reisen habe ich immer ein Antibiotikum und die Handynummern von zwei Ärzten dabei. Sollte ich krank werden, rufe ich sie an. Die stellen dann eine Ferndiagnose. Wenn es ganz blöd läuft, muss ich nach Hause fliegen. 25. Januar 2008
    Seit meinem dritten Lebensjahr leide ich an juveniler Dermatomyesitis, einer rheumatischen Erkrankung, die meine Muskeln zurückbildet. Ich habe wenig Kraft, bin sehr schmal und nur 1,46 Meter groß. Auf die Toilette oder vom Sofa aufstehen kann ich nicht allein, zu Fuß schaffe ich fünfzig Meter, dann brauche ich einen Rollstuhl. Trotzdem habe ich meine Behinderung schnell angenommen. Ich liebe das Leben. Deshalb war es wie ein Schlag ins Gesicht, als ich vor fünf Jahren erfuhr, dass ich auch noch an Bindegewebskrebs leide. Warum werde ich denn doppelt bestraft? Reicht die Behinderung nicht?

    Die Behinderung habe ich im Griff, seit ich 16 Jahre alt war. Seitdem bilden sich meine Muskeln nicht mehr zurück. Aber der Krebs ist viel teuflischer. Ich muss ständig damit rechnen, dass er zurückkommt oder sich auf andere Organe ausbreitet. Ich habe Angst davor, an dem Sarkom zu sterben. Am liebsten würde ich das Buch meines Lebens nehmen und die Seiten mit dem Krebs einfach rausreißen. Aber im nächsten Moment will ich die Seiten wieder ins Buch zurücklegen, weil ich auch positive Dinge durch die Krankheit erfahren habe. Ich habe im Krankenhaus Menschen kennengelernt, die heute sehr gute Freunde sind, und leite eine Gruppe für jugendliche Krebspatienten. Das gibt mir viel Kraft.

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    Hier finden Sie ein weiteres Tagebuch über ein Leben mit dem Krebs.

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