Megapixelpleite

Über fünf Milliarden Geräte mit HDMI-Schnittstelle gibt es auf der Welt, bald hat jeder Erdenbewohner eins. Bloß unsere Autorin hatte davon nichts mitbekommen, was in ihrer Familie zu großem Frust führte.

In der Vorweihnachtszeit kursierte ein lustiger Post von wegen: Und sie zogen aus, um ihren Eltern daheim den Computer zu erklären. Ha ha. Hab ich gelacht.

Und dann habe ich meiner Familie einen Fernseher gekauft, einen »Smart TV«. Haben Sie sicher schon. Oder zumindest davon gehört, und von HD und HDMI. HDMI-Kabel, das weiß ich jetzt auch, waren einer der Technik-Bestseller des vergangenen Jahres. »HDMI«, schreibt die Bild und hat ausnahmsweise mal recht, »ist der neue TV-Stecker-Standard«. Fünf Milliarden HDMI-fähige Produkte gibt es momentan auf der Welt. Fast so viele wie Bewohner. Wir haben jetzt auch eines. Aber davon wusste ich nichts.

Der »Smart TV« ist mir nicht leicht gefallen. Nicht nur finanziell, auch traditionell. Wir hatten ein Gerät, das wir liebten. Wenn Leute es sahen, riefen die meisten: Krass - 'ne Röhre! Wir standen dazu. Weil nämlich beim letzten Fernseher-Kauf HD gerade auf den Markt gekommen war, besser gesagt: HD-fähige Flachbildschirme, auf denen man aber kein HD sehen konnte, weil HD noch gar nicht ausgestrahlt wurde. Ich stand davor und dachte: Wollt ihr mich verarschen?

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Wenn man in die Röhre guckte, war das Bild viel tiefer. So ähnlich wie der Ton auf Vinyl viel tiefer ist als auf CD. Ich hab schon mitbekommen, dass es mp3 gibt. Ich bin ja nicht blöd!

Aber jetzt, her mit dem Smart TV, für die Jungs, für den Fußball, für das Heimkinoerlebnis, für die Megapixelorgie! Wir in den Mediamarkt, der Verkäufer wie üblich: nicht so der Checker. Aber egal, ich habe eh nur drei Wünsche, ich will die Glotze mit der besten Bildqualität, dem schönsten Design »und«, habe ich gesagt, »kann man den mit der Stereoanlage verbinden?«. Der Verkäufer darauf so, dass ich leicht großmütterlich lächle aber denke: Was guckst du? Noch nie von 'ner »Stereoanlage« gehört, Alter?

Wir installieren den smarten TV. Sieht geil aus, die Jungs japsen. Ich sag nix, denke aber: Scheißemann, die haben gesagt, da wären genug Anschlüsse, aber wo sind denn jetzt die Scart-Buchsen? Wir brauchen drei und nicht eine! Und wo, verdammt, ist der Ausgang für die Stereoanlage beziehungsweise für die HiFi-Boxen, das einzige Status-Symbol, das uns, also mir und dem Mann an meiner Seite, wirklich wichtig war. Wegen dem geilen Sound. Den Jungs ist der wurscht. Die stellen das Smartphone laut und sind schon zufrieden.

Wir schalten an. Das Ding fährt hoch. Und ich denke: Sapperlott, wollt ihr uns immer noch verarschen? Das soll das Fernsehen von heute sein? Auf so was starrt die Welt, so ein rauschendes, spiegelndes, flaches Bild?

Aber ich sag nichts, ist ja Weihnachten. Und ich hasse umtauschen.

Wir glotzen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag erhebt der Mann an meiner Seite zaghaft seine Stimme. Nachdem er sehr schweigend auf ein Fußballspiel gestarrt hatte. Und sagt: Das kann doch nicht sein. Ich sage: Ist aber so. Er schaut mich entsetzt an, über die Kinder hinweg, wir wollen sie nicht enttäuschen. Ich flüstere: Es ist wie bei des Kaisers neue Kleider. Er: Vielleicht Gewohnheitssache? Da rufen die Jungs: Man sieht ja gar nichts!

Wir heulen uns bei einem Freund aus, er ist vom Fach, er macht Fernsehen. Er tippt sich, ich sehe das, innerlich an die Stirn und sagt: Ich versteh euch gar nicht, HD ist doch der Wahnsinn! Und wenn ihr dann noch Blue-Ray dazu nehmt! Auch ich denke: Der hat sie ja nicht alle.

Am nächsten Tag kommt der Mann vom Mediamarkt an meine Seite zurück und sagt: Wir können das Ding umtauschen. Ich so: Aber wogegen? Wenn das das mit der besten Bildqualität sein soll? Sagt der Mann - er ist einer mit Haltung, der auch verzichten kann: Dann geben wir es zurück und gucken wieder in unsere Röhre. Die Kinder schreien, ich auch. Ich will streamen und groß gucken und ich hasse doch umtauschen, so ein Aufwand, so eine Enttäuschung, ich habe den Karton längst weggeschmissen!

Na gut, ein Versuch noch, der Mann ruft der Kundendienst an. Leute, ich sage euch: Immer erst den Kundendienst anrufen! Da können die Mediamärkte noch so viel Werbung machen. Für ihre Top-Berater. Der Checker vom Kundendienst fragt: Ob wir es nicht mal mit dem HDMI-Kabel versuchen wollen?

Für diejenigen unter den Leserinnen und Lesern, die jetzt noch nicht schallend lachen. Die also meiner Altersgruppe zuneigen. Also alle, die noch an «Stereoanlagen«, »Vinyl« und die Tiefe des Raums glauben. Und an diese Stecker, die so breit sind und zwei Zahnreihen haben wie Haie, oben leicht abgeschrägt, die nie so richtig passen, aber eben den Videorekorder mit der Röhre verbunden haben. Yes, die Scart-Buchse! Für all die, denen wie mir ganz bald das Lachen vergehen wird, grad noch den Computer der Eltern eingerichtet und schon von HDMI überholt, eine Erklärung. Die Erklärung vom Kundendienstmann: Es sei nämlich so, dieser Fernseher könne ungefähr acht Millionen Pixel übertragen. Mit einem HDMI-Kabel. Wenn man ein Scart-Kabel reinsteckt, schafft er so ungefähr 2000.

Wir stecken um. Machen das Ding an und zoschhhhhhhh, päng, bumm, ffffft, es werde Licht! Schreie gellen durchs Wohnzimmer. »Ich sehe«, ruft einer der Jungs, »jetzt sogar die Pickel von Toni Kroos!«

Unser Freund, der Blue-Ray-Spinner, sagt, mit unserer Umtausch-Story hätten wir seine gesamten Weihnachtsferien mit Heiterkeit erfüllt. Was für eine Freude.

Foto: Promo