Ein Schreibtisch ist für Schriftsteller mehr als nur ein Schreibtisch. Es ist ein Grenzübergang zwischen der realen und der fiktiven Welt, die Brücke vom eigenen Dasein in das der Romanfiguren.
Oder, wie der japanische Bestsellerautor Haruki Murakami es mal formuliert hat: »Jeden Tag gehe ich in mein Arbeitszimmer, setzte mich an meinen Schreibtisch und schalte den Computer an. In diesem Moment muss ich die Tür öffnen. Es ist eine große, schwere Tür. Du musst in den anderen Raum treten. Bildlich gesprochen, natürlich. Und du musst später wieder zurückkehren aus diesem Raum, auf diese Seite. Und dann musst du die Tür wieder schließen.«
Für das SZ-Magazin haben wir zehn Schriftsteller gebeten, über ihren Schreibtisch zu schreiben. Über den Ort, an dem sie ihre besten Ideen und ihre schlimmsten Schreibblockaden haben. Welche Beziehung haben sie zu diesem Gegenstand?
Sibylle Berg, nicht nur eine der wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Literatur, sondern auch eine der klügsten Kolumnistinnen und lustigsten Twitter-Nutzerinnen, antwortete:
Mein Schreibtisch ist irgendein Schreibtisch. Wäre der Tisch nicht der Tisch, könnte es auch ein anderer sein. Ich habe zu Tischen kein ausgesprochen objektophiles Verhältnis. Dafür einen leichten Ekel vor Kiefertischen oder vor Fichte, auf der Wachs- und Rotweinflecken von langen Plauderabenden mit Urte und Torben kundtun. Ich wechsle beim Arbeiten immer die Positionen, also zwischen im Bett, wenn der Hals schmerzt, und dem Tisch. Ich kann immer. Überall, außer an öffentlichen Orten. Es gibt einen Traumtisch, den Hans Wegner Desk Model JH-571, er kostet aktuell 75 000 Franken. Wenn ich ihn besäße, wäre ich reich und könnte zehn Schreibtische haben, die ich zärtlich berühren würde. Es würde mein Leben aber nur unwesentlich bereichern.
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Foto: dpa / privat