Im Keller seines Hauses, genauer gesagt im Ruheraum neben dem Swimmingpool, hat der pensionierte Investmentbanker Gerold Brandt seine Trophäen aufgebaut: kleine Quader aus Acryl, die im Jargon der Banker »Tombstones« heißen. Sie sehen tatsächlich wie Grabsteine aus und tragen auch Inschriften: DaimlerChrysler, Citizen Watch, Samsung, Kingdom of Spain. »Die besten Banken der Welt waren scharf auf unsere Kunden«, erklärt Brandt voller Stolz. Jeder Grabstein steht für einen erfolgreichen Abschluss, Brandt hat Dutzende davon. Während seiner zehn Jahre im Vorstand der Bayerischen Landesbank fädelte er Geschäfte im Wert von 54 Milliarden Euro ein. Das war harte Arbeit, er und seine Mitarbeiter prüften die Bonität der Kunden noch akribisch, stritten sich zuweilen heftig, um im Zweifelsfall zu entscheiden: lieber kein Deal als ein schlechter. »Ich spreche nicht von goldenen Zeiten, sondern von einem Geschäftsmodell: Das hätte die Bank nie verlassen dürfen.
«Doch kurz nach seinem Abschied im Jahr 2001 vollzieht die Bank einen dramatischen Kurswechsel: Statt sich selbst ein Urteil zu bilden, setzen Brandts Nachfolger auf fremde Expertisen. Sie kaufen Wertpapiere, die internationale Ratingagenturen mit Bestnoten versehen haben. Eben die Wertpapiere, die damals auch alle anderen Banken kaufen. Sie heißen Asset Backed Securities (ABS) oder Collateral Debt Obligations. Brandt nennt sie »modernistische Papiere«. Was genau sich hinter den Begriffen verbirgt, wird auch den Experten erst klar, als in diesem Sommer der amerikanische Hypothekenmarkt kollabiert und die Welt in die tiefste Finanzkrise seit 1929 stürzt. Am 21. Oktober 2008, nur zwei Tage nachdem die Bundesregierung ihren Rettungsschirm für die angeschlagene Finanzbranche aufgespannt hat, suchen die Chefs der BayernLB darunter Schutz. »Das hat mich richtig traurig gemacht«, sagt der Ex-Vorstand Brandt.
Es widerspricht zutiefst dem Selbstbild der Bayern, dass ausgerechnet ihre Landesbank den ersten Offenbarungseid leistet. Nicht etwa die WestLB in Düsseldorf oder die NordLB in Hannover, wo die Sozialdemokraten lange den Ton angaben. Keine Bank ist so tief gefallen wie die BayernLB, die zur Hälfte dem Freistaat gehört und zur Hälfte den bayerischen Sparkassen. Noch vor wenigen Jahren war das staatliche Institut »die Bank mit den geringsten Schulden, den saubersten Büchern und den größten Reserven«, beklagt Ex-Vorstand Brandt. Der geballte Sachverstand der bayerischen Innen-, Finanz- und Wirtschaftsminister, die das Institut als Teil des Verwaltungsrats lenkten, konnte den Niedergang nicht verhindern. Nun benötigt die Bank bis zu zehn Milliarden Euro Kapital, um zu überleben.
Der Staat sei der bessere Banker, heißt es in diesen Tagen häufig. Die Grundidee der BayernLB hat auch ihren Charme: Laut Gesetz handelt sie »nach kaufmännischen Grundsätzen« und trägt gleichzeitig Verantwortung für das Gemeinwohl. Sie fühlt sich nicht irgendwelchen Großaktionären im Orient oder Geldmarktfonds in Amerika verpflichtet, sondern fördert mit ihren Gewinnen den sozialen Wohnungsbau in der strukturschwachen Oberpfalz oder ermöglicht dem Münchner Lenbachhaus, ein Kandinsky-Gemälde zu erwerben. Und doch spielte das Gemeinwohl im Alltag der Bank nur eine unter-geordnete Rolle, zuletzt handelte die Staatsbank wie ein normales privates Geldhaus. Politiker und Sparkassenfunktionäre im Verwaltungsrat waren weder willens noch fähig, den Kurs zu korrigieren. Wenn sie sich einmischten, dann oft nur zu Lasten der BayernLB.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Ein führender CSU-Politiker erzählt heute, ihm sei dieser Nebenjob mit seinem neuen Amt einfach so zugefallen.)
Die Politik Rückblick ins Jahr 2001: Die BayernLB ist mit einer Bilanzsumme von 325 Milliarden Euro die siebtgrößte Bank in Deutschland. Fünfzig Leute gehören dem Verwaltungsrat an, darunter acht Minister. Das CSU-Kabinett könnte ebenso in der Landesbank tagen. Als Kontrollorgan versagen das aufgeblähte Gremium und dessen Kreditausschuss allerdings, was besonders im Fall Leo Kirch deutlich wird: Während andere Banken auf Distanz zum Münchner Medienunternehmer gehen, gibt die Landesbank dem CSU-Freund eine Reihe von Großkrediten. Als sein Film- und Fernseh-Imperium im April 2002 zerbricht, stehen in den Büchern der BayernLB Kirch-Kredite von mehr als zwei Milliarden Euro.
Fünf Monate später wird der Verwaltungsrat auf zehn Mitglieder verkleinert. Doch wieder schreibt die CSU-Mehrheit im Landtag gesetzlich fest, dass vor allem Politiker die Bank überwachen und steuern sollen. Ein führender CSU-Politiker erzählt heute, ihm sei dieser Nebenjob mit seinem neuen Amt einfach so zugefallen. Zunächst entgegnete er seinem Referenten: »Das mache ich nicht, ich habe doch keine Banklehre.« Zwei Stunden später kam der Referent in sein Zimmer: »Sie müssen das machen, das steht im Gesetz.«
Wie ernst manche Politiker ihre Aufgabe nehmen, erlebt der Bankvorstand in den monatlichen Sitzungen mit den Kontrolleuren. Von einem CSU-Minister wird berichtet, er sei oft zu spät erschienen und habe dann ausführlich Zeitung gelesen. Ein Parteikollege, so erzählen Teilnehmer der Runde, sei schon mal weggedöst.
»Wir haben vielleicht den Fehler gemacht, keine Experten mit dieser Aufgabe zu betreuen«, sagt ein Ex-Verwaltungsrat heute. Der damalige Regierungschef Edmund Stoiber, Finanzminister Kurt Faltlhauser und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hatten das tatsächlich erwogen. Doch die kleine Konferenz beschloss: »Wenn etwas schiefgeht in der Bank, heißt es so oder so, dass die Politik schuld ist. Also wollen wir wenigstens was zu sagen haben.«
Selbstbewusst tragen die Politiker auch Sonderwünsche an den Landesbank-Vorstand heran, meist nur mündlich, immer »mit der Bitte um wohlwollende Prüfung«, wie sich ein früherer Vorstand erinnert. Die BayernLB muss einspringen, als die Staatsregierung keinen anderen Bauherrn für das geplante Luxushotel auf dem geschichtsträchtigen Obersalzberg bei Berchtesgaden findet. Schon vor der Fertigstellung wird klar, dass ein Luxushotel mit 140 Zimmern auf tausend Meter Höhe, in einer eher abgelegenen Region, nur schwer auszulasten ist. Also soll die Landesbank das ganze Jahr über ein Kontingent von zwanzig Prozent der Zimmer anmieten.
Man könne dort ja Seminare abhalten, schlagen die Politiker vor. Das Problem aus Sicht der Banker: Ein Fünf-Sterne-Hotel, zwei Stunden von der Bankzentrale in München entfernt, ist nicht gerade der ideale Ort für Seminare. Deshalb beschließt der Vorstand, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die BayernLB bestreitet heute, dass es zu der Zahlung kam. In jedem Fall hat die Bank das Projekt Obersalzberg mehr als fünfzig Millionen Euro gekostet.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Im Großen wie im Kleinen profitieren die bayerischen Politiker von ihrer Landesbank.)
Im Jahr 2004 zeigt die Staatsbank ungewöhnlich viel Geduld mit einem Schuldner: Es handelt sich um den Münchner Ableger der Staatspartei CSU. Der Kredit wird nicht gekündigt, obwohl die Partei der BayernLB eilig angeforderte Unterlagen monatelang nicht vorlegt. 2006 verkündet DaimlerChrysler, Aktien des Rüstungsherstellers EADS zu verkaufen. Weil die Politik verhindern will, dass die Anteile in den Händen ausländischer Investoren landen, wird unter anderem die BayernLB verpflichtet, Aktien im dreistelligen Millionenbereich zu erwerben. Als der Vorstand protestiert, greifen die Politiker in die Trickkiste, berichtet ein langjähriger Bankmanager: Zur BayernLB gehört die Landesbodenkreditanstalt (Labo), ein öffentliches Förderorgan des sozialen Wohnungsbaus. Dessen Geschicke steuert die Staatsregierung direkt. Also sei die Labo beauftragt worden, die Aktien zu kaufen. Der düpierte Landesbank-Vorstand habe nur noch die Rechnung begleichen können.
Auch die Geschäftsleitung der Labo bestellen die Politiker. Im Jahr 2004 zum Beispiel schlägt der damalige Finanzminister Kurt Faltlhauser den Ministerialrat Heinrich Rinderle vor, der »in persönlicher und fachlicher Hinsicht bestens geeignet« sei. Der Vorstand der BayernLB kann den Vorschlag des »schönen Professors«, wie Faltlhauser in der Landesbank genannt wird, nur abnicken. Daneben werden im Lauf der Zeit mindestens noch zehn Staatsdiener in die Labo versetzt und kommen in den Genuss eines kräftigen Gehaltsaufschlags, finanziert von der BayernLB. Ex-Finanzminister Erwin Huber räumt ein, es sei lange üblich gewesen, verdiente Spitzenbeamte in der Labo unterzubringen.
Im Großen wie im Kleinen profitieren die bayerischen Politiker von ihrer Landesbank: Die ehemaligen CSU-Minister auf Bundes- und Landesebene kommen einmal im Jahr zusammen, »ähnlich wie bei einem Klassentreffen«, erzählt Ex-Finanzminster Georg von Waldenfels, der Organisator der Runde. Treffpunkt ist das Casino der Landesbank, die natürlich alle Bewirtungskosten übernimmt. Als der Freistaat Bayern seine Repräsentanz in Brüssel eröffnet, trägt die BayernLB die Reisekosten für das Bayerische Rundfunkorchester: Der damals amtierende Ministerpräsident Stoiber soll gegenüber einem Landesbank-Vorstand den Wunsch geäußert haben, dass er zur Einweihungsfeier gern Musik hätte.
Wie kam es zu dieser Selbstbedienungsmentalität? Die Bank sei lange Zeit als »Teil des Staatsapparats« verstanden worden, sagt Erwin Huber heute. »Aber das hat sich inzwischen verändert.«
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Die Sparkassen Laut Gesetz erfüllt die BayernLB für die Sparkassen die Funktion einer Zentralbank. Aus Sicht des Vorstands der BayernLB heißt das: Die Landesbank entwickelt zum Beispiel ein neues Finanzprodukt, die Sparkassen vertreiben es an ihre Kunden. Das Problem: Genau für diesen Zweck haben die Sparkassen bereits ihren Sparkassenverband. Laut Gesetz zählt die Strukturförderung in Bayern zu den ureigensten Aufgaben der Landesbank. Das schließt natürlich auch die Förderung der bayerischen Wirtschaft ein, insbesondere des Mittelstands. Das Problem: Die Sparkassen verstehen sich »als Finanzpartner Nummer eins für den Mittelstand«.
Kurz gesagt: Es gibt eine Reihe von natürlichen Konflikten zwischen den beiden Instituten. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass die Sparkassen kaum mit ihrer Landesbank kooperierten. Selbst wenn die Sparkassen fremde Ressourcen benötigten, etwa bei Auslandsgeschäften oder Großkrediten, fühlten sie sich nicht an die BayernLB gebunden, sondern arbeiteten auch mit der NordLB zusammen oder anderen Landesbanken jenseits des Freistaats, berichtet ein langjähriger Manager der BayernLB. Verstehen konnte er die Praxis nicht: »Die Sparkassen schädigen sich damit doch selbst.« Schließlich sind die Sparkassen an der BayernLB seit ihrer Gründung 1972 zu fünfzig Prozent beteiligt.
Doch die Angst vor dem Konkurrenten hat auch Grenzen: Unter den Besuchern der VIP-Loge in der Münchner AllianzArena etwa, ursprünglich zur Anwerbung und Bindung von Geschäftskunden für die BayernLB gedacht, finden sich regelmäßig Sparkassenfunktionäre, die FC Bayern oder 1860 München einmal live erleben wollen. Auch Exkursionen zu den Auslandsniederlassungen der Landesbank in Österreich, Ungarn, New York oder Schanghai sind beliebt. Ein Bayern-LB-Manager klagt, das Institut sei wiederholt von den Sparkassen »als Reisebüro missbraucht« worden.
Am 7.12.2006 erinnert etwa Sparkassenpräsident Siegfried Naser den damaligen Vorstandschef Werner Schmidt an eine Reise nach Budapest, wo Naser und drei Sparkassenkollegen die Tochterbank besuchen wollen. Schmidt möge dafür sorgen, dass die BayernLB Flüge und Hotel bucht. Als Rahmenprogramm regt Naser eine Stadtrundfahrt und ein Abendessen an. Der Sparkassenverband betont, dass es sich bei Nasers Reisen jeweils um »Arbeitstermine« handelte.
Naser hat zweifellos ein großes Interesse daran, dass es der Bank gut geht, insbesondere den Vorständen. Sein Gehalt als Sparkassenpräsident – im Jahr 2007 waren es 579000 Euro – richtet sich exakt nach dem Gehalt des stellvertretenden Vorstandschefs der Landesbank. Diese Regelung besteht seit drei Jahrzehnten. Die Folge: Der Sparkassenpräsident, der per Gesetz dem Verwaltungsrat der BayernLB angehört und somit über die Entlohnung des Landesbank-Vorstands mitentscheidet, stimmt letztlich über sein eigenes Gehalt ab.
In diesem Jahrzehnt wurde zweimal das Gehalt des BayernLB-Vorstands erhöht – beide Male stimmte Naser zu. Ein Ex-Minister, der dem Verwaltungsrat mehrere Jahre angehörte, sagt, er habe noch nie von dieser Regelung gehört. Nasers Verhalten sei »unmöglich«. Der Sparkassenverband beschwichtigt, über Gehaltserhöhungen beim Landesbank-Vorstand habe der zehnköpfige Verwaltungsrat entschieden. »Auf die Stimme Dr. Nasers kam es dabei nicht an.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Nach zehn Minuten schlägt der damalige Verwaltungsratschef Faltlhauser mit der flachen Hand auf den Tisch und beschwert sich lautstark über das »unverständliche Gequatsche«.)
Die Krise Zwischen 2002 und 2004 warnt der damalige Vorstandschef Werner Schmidt den Verwaltungsrat wiederholt, die Bank habe bis zu sechs Milliarden Euro an Wert verloren. Die Kirch-Pleite hat Substanz aufgezehrt, ebenso weitere Großkredite an Unternehmen, die sich zu dieser Zeit in Schwierigkeiten befinden: TUI, Karstadt, VW, Walter Bau, der amerikanische Energiekonzern Enron.
Aber Schmidt gilt als exzellenter Buchhalter, er weiß, wie man eine Bilanz gestaltet, dass am Ende ein Plus herauskommt. So bilanziert er Gewinne, die das Institut erst später erzielen soll, nach vorne. Zudem trennt sich die Bank von lukrativen Beteiligungen, etwa an dem Energieversorger Thüga oder dem Softwarehersteller SD&M, um Gewinne ausweisen zu können. »Die Bank«, fasst ein hochrangiger Manager zusammen, »hat sich damals praktisch bis auf die letzte Socke ausgezogen.« Fünf Jahre später, als die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Konkurs anmeldet und eine Kettenreaktion anstößt, an deren Ende die Verstaatlichung großer Teile des weltweiten Bankensystems steht, wird die Bayerische Landesbank diese Reserven schmerzlich vermissen.
Doch zunächst schwimmt die Staatsbank im Geld – allerdings nur in geliehenem: Die EU-Kommission hat 2002 entschieden, dass die Staatshaftung für die Landesbanken im Jahr 2005 wegfallen soll. Für die Bayern-LB bedeutet das, dass sie dann mehr Zinsen zahlen muss, wenn sie bei anderen Instituten Geld leiht. Also beschließt die Bank, sich mit billigem Kapital einzudecken, solange der Freistaat noch bürgt.
Der BayernLB fehlen jedoch die nötigen Kreditkunden, um das Geld zu investieren. Deshalb legt sie es am Kapitalmarkt an, wo sogenannte verbriefte Papiere in Mode gekommen sind: Wertpapiere, die auch an der Börse gehandelt werden und darauf beruhen, dass Banken Forderungen aus verschiedenen Krediten zu einer einzigen Forderung gebündelt haben. Die Papiere versprechen gute Renditen, jedenfalls solange die Schuldner solvent genug sind, um ihre Raten zu bezahlen.
Der Verwaltungsrat interessiert sich bis 2007 allenfalls am Rande für das Geschäft, das seit Jahren im Glossar der Landesbank-Bilanz erläutert wird. Erst als mit der IKB die erste deutsche Bank wegen der US-Immobilienkrise ins Trudeln gerät, fragen die Kontrolleure nach. In der Sitzung vom 24. Juli 2007 kommt es zum Eklat: Einer der Vorstände beginnt seine Rede, spricht von »Exposure«, »Spreadausweitungen«, »Shortpositionen«, »Ersatzdebitoren« und »Discount Windows«. Nach zehn Minuten schlägt der damalige Verwaltungsratschef Faltlhauser mit der flachen Hand auf den Tisch und beschwert sich lautstark über das »unverständliche Gequatsche«.
Fünf Wochen später muss der Vorstand erneut antreten. Diesmal erklärt er offen: US-Banken haben massenweise Hypothekenkredite an einkommensschwache Haushalte vergeben. Viele davon sind nicht mehr in der Lage, ihre Kredite abzuzahlen. Damit hat die BayernLB, die verbriefte Papiere im Wert von 24 Milliarden Euro besitzt, ein Problem. Der Vorstand gibt sogar zu, dass er plante, das Geschäft mit diesen Papieren auf 58 Milliarden Euro auszuweiten. Darüber wurde der Verwaltungsrat nicht informiert; das übergangene Aufsichtsgremium, das sich sonst so gern in die Abläufe der Bank einmischt, zieht aber keine Konsequenzen.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Lange kann der Vorstand den Triumph nicht auskosten. Ende November muss er einräumen: Das Milliardenloch der Bank ist weiter gewachsen, nun fehlen mehr als zehn Milliarden Euro.)
Die Finanzkrise spitzt sich zu, der Verwaltungsrat taumelt weiter: Am 12. Februar kommt es zum legendären Auftritt von Erwin Huber, der im Landtag erklärt, die BayernLB könne ihre Risiken derzeit nicht beziffern, es gebe keine »harten Zahlen«. Zeitgleich arbeitet der Bankvorstand an einer Presseerklärung, in der die Risiken mit 1,9 Milliarden Euro beziffert werden. Huber, damals auch Verwaltungsratschef der BayernLB, erfährt davon bei seiner Rückkehr im Finanzministerium und ist bis auf die Knochen blamiert.
Das Kommunikationsdebakel wird Vorstandschef Werner Schmidt angelastet. Wenige Tage später räumt er seinen Posten, Nachfolger wird Finanzvorstand Michael Kemmer. Er gilt als unbelastet. Das ändert sich wenige Monate später. Am 19. Oktober soll Kemmer die Spitzen von CSU und FDP, die gerade Koalitionsverhandlungen führen, über die Lage der BayernLB informieren. Der Bankchef spricht von 3,6 Milliarden Euro Kapitalbedarf. Drei Tage später spricht er von 6,4 Milliarden Euro.
Daraufhin beschließt der designierte Ministerpräsident Horst Seehofer, den gesamten Vorstand abzulösen. Die Aufgabe fällt Erwin Huber zu. Doch ohne Vorstand müsste die Bank schließen. Nach Krisensitzungen in der BayernLB und in der CSU-Zentrale darf der von den Sparkassen gestützte Kemmer bleiben. Nun ist Seehofer blamiert. Lange kann der Vorstand den Triumph nicht auskosten. Ende November muss er einräumen: Das Milliardenloch der Bank ist weiter gewachsen, nun fehlen mehr als zehn Milliarden Euro. Das Geld und Garantien in Höhe von zwanzig Milliarden Euro wird nun der Staat aufbringen, während sich die Sparkassen zurückziehen, um nicht selbst in den Abwärtsstrudel zu geraten.Die zukunft
Die Zukunft Die meisten verbrieften Papiere im Portfolio der BayernLB besitzen eine Laufzeit bis zum Jahr 2015. Ein Bankvorstand hält es für möglich, dass sie bis dahin wieder massiv an Wert gewinnen. »Die entsprechenden Immobilien existieren ja wirklich. Warum sollen nicht auch die Kredite abbezahlt werden? Die Amerikaner können es sich doch nicht leisten, jeden zweiten Häuslebauer pleitegehen zu lassen.«
Foto: André Mühling