»Wir leben nicht mehr im Einklang mit der Natur, sondern funktionalisieren sie«

Obwohl sie es besser wissen, fällt es vielen Menschen schwer, aktiv etwas gegen den Klimawandel zu tun. Der Psychosomatiker Christoph Nikendei erklärt, woher dieser Widerspruch kommt – und wie man sich aus dieser Starre lösen kann.

Meeresschildkröten können Plastiktüten im Wasser für Quallen halten – und verenden, wenn sie diese essen.

Foto: iStock

SZ-Magazin: Die wissenschaftliche Evidenz bei der Klimaerwärmung ist erdrückend. Gleichzeitig stellen Sie fest, dass die sich abzeichnende globale Krise keinen kollektiven Alarm und kein angemessenes Handeln bei uns auslöst. Wie erklären Sie diese Diskrepanz?
Christoph Nikendei: Ich finde es wichtig, vorauszuschicken, dass wir selbst ein Teil der Natur sind. Die Frage ist: Warum haben wir uns so weit von ihr entfernt, dass wir uns nicht mehr in sie einfühlen können? Aus psychodynamischer Sicht haben wir Menschen ganz natürliche Bedürfnisse, mit der Natur in Kontakt, eingebettet in sie zu sein. Doch spätestens im 18. Jahrhundert, als die moderne Form des Kapitalismus aufkam, haben wir uns von der Natur in uns getrennt. Wir leben nicht mehr im Einklang mit ihr, sondern funktionalisieren und bearbeiten sie, um sie unseren Zwecken dienlich zu machen. Den Wunsch nach Geborgenheit erfüllen wir uns jetzt eher mit Luxusgütern.