Kaum ein Konzept war so unvorhersehbar wie der Bussitz. Zumal, wenn man ganz vom Anfang her denkt. Da richtet sich der Mensch erst mühsam auf, von allen vieren auf zwei Beine – um sich am Ende wieder gekrümmt zu setzen. Schon allein die Idee, mit einem Bus zum Ort seiner Tätigkeit zu fahren, wäre für jeden jagenden Urmenschen eine völlige Sinnlosigkeit gewesen. Der Weg war das Ziel. Das zu erlegende Abendessen konnte ja überall sitzen, dösen und zu erlegen sein – wieso sollte es am Ende einer Fahrt an einem bestimmten Haltepunkt warten?
Überhaupt eine Gesellschaft, die sich so sehr auf das Sitzen ausrichtet, ist schon eine Merkwürdigkeit. Wo es wichtig ist, wird gesessen, sei es in der Kirche oder auf dem Amt. Der Ernst des Lebens beginnt mit der Zeit des Sitzens. Schultag ab acht Uhr. Und dann ein Leben im Sitzen, je länger man in Seminaren gesessen hat, desto besser ist man gebildet. Insofern kann von Hochschlafen wahrlich keine Rede sein, eher sitzt man sich hoch. Wer beruflich viel sitzt, verdient mehr. Höchste Posten definieren sich geradezu über den Stuhl, den man einnimmt, um sie auszuüben: einen Lehrstuhl, einen Thron, den Heiligen Stuhl. Der Chef von allem ist der Vorsitzende. Und das, obwohl jeder, der schon mal auf eine gute Idee gewartet hat, weiß, dass sie eher nicht im Sitzen kommt. Muskelmasse regt Hirnmasse an. »Mein Kopf geht nur mit meinen Füßen«, soll der französische Denker Jean-Jacques Rousseau gesagt haben.
Reise um die Welt in Bussitz-Mustern
So unvorhersehbar der Bussitz auch war, er ist global geworden. In Indonesien fahren Busse, ebenso auf Sizilien, in Oslo, in Managua. Die Welt hat sich auf den Bus geeinigt. Und mehr noch. Die Menschen, die Bussitzmuster gestalten, scheinen ebenfalls eine Übereinkunft getroffen zu haben. Fast immer sind es bunte Muster, unruhig, starke Farben, sodass man nicht jeden kleinen Fleck gleich bemerkt. Globaler Pragmatismus, der sich am Menschen ausrichtet, wie er ist, nicht wie er sein möchte. So gesehen, kann ein Bussitz richtig rührend sein.