Eltern, die das Pausenbrot ihrer Kinder nur mit Gurkenscheiben garnieren, könnten beim Anblick dieser Bilder neidisch werden – sollten sie aber nicht. Denn unter Müttern in Japan und USA ist ein Wettbewerb entstanden, Kindern möglichst kunstvoll und aufwendig Essen in die Brotzeitbox, Pardon, Lunchbox zu packen, das mehr an ein Comicheft erinnert als an einen Pausensnack: lachende Miss Piggys aus Biskuit mit Nudelfrisur oder Löwen mit Karottenmähne und Augen aus Heidelbeeren. Angeblich soll das Kindern gesunde Lebensmittel schmackhaft machen: Kaut es sich auf einer Cherrytomate besser, wenn sie gerade noch die Nase von »Tier« aus der Muppet Show war?
Eigentlich geht es bei den Lunchboxen um etwas anderes: eine neue Möglichkeit für übermotivierte Eltern, ihren Ehrgeiz zur Schau zu stellen. War ja klar eigentlich, dass nach Chinesischkursen für Ungeborene oder Designerschnullern irgendwann auch das Pausenbrot zum Statussymbol wird. In Japan gibts sogar schon ein eigenes Wort für diese Brotzeitboxen: Kyaraben. Und der Hello-Kitty-Hersteller Sanrio richtet Kyaraben-Meisterschaften aus (gewonnen hat zuletzt eine Box mit Kätzchen aus Reis, samt niedlichen Brillen aus getrockneten Algen). Zwischen amerikanischen und japanischen Müttern hat auf Facebook eine Art Wettrüsten begonnen: Sie überbieten einander mit aufwendigen Brotboxen und stellen Bilder davon ins Netz. Beim Durchklicken fragt man sich: Finden Kinder so einen Paprika-Pac-Man mit Lakritz-Augen wirklich lecker?
Wir wollen Eltern davor bewahren, bereits um vier Uhr morgens aufzustehen, um es neben allem anderen auch noch zu schaffen, den Schnitzwettbewerb um die am schönsten dekorierte Lunchbox aufzunehmen. Stellen wir stattdessen lieber diese Frage: Was soll es bringen, an den Waffelflügeln einer Biene Maja zu tüfteln, wenn außer einem kurzen »Wow« (und ein paar Likes auf Facebook) bei den Kindern vor allem ein Gefühl übrig bleibt: Hunger. Und Neid auf die Klassenkameraden, deren Käsesemmel zwar nicht aussieht wie Donald Duck, aber besser schmeckt als die halbe Scheibe Biskuit, die hinter so einer Miss Piggy steckt.
Foto: Barbara Bonisolli, Foodstyling: Maja Müller-Holve