Das Beste aus aller Welt

Haben Sie gewusst, dass kommenden Mittwoch die Welt untergehen könnte? Unser Autor Axel Hacke über schmelzende Pole, das kleine Saarland und gefährliche schwarze Löcher in Genf.

Leser B. aus Feldkirchen-Westerham schickte mir Anfang des Sommers einen Artikel aus dem Mangfallboten mit der Überschrift »Schmilzt diesen Sommer der Nordpol?« Er fügte die Frage an: »Glauben Sie, das kann mit dem Südpol auch passieren? Was machen wir dann ohne unsere Pole? Gibt’s dann nur noch Ost und West?«

Lieber Herr B., ich denke, diese Sorge müssen wir erst mal nicht mehr haben. Zwar ist das Eis am Nordpol wieder zurückgegangen, der Nordpol selbst jedoch ist nach wie vor da. Woraus besteht übrigens der Nordpol selbst? Muss man ihn sich als eine Art Schraubenkopf oder Mutter am Ende der Erdachse vorstellen? Bisher war der Pol unter Eis verborgen. Was wird sein, wenn er aus dem Gefrorenen auftaucht? Wer wird die ersten Fotos machen? Ich habe gelesen, die Arktis sei 26 Millionen Quadratkilometer groß. Zufälligerweise ist das ziemlich genau 10000 Mal so groß wie das Saarland, was ich nur erwähne, weil ich mir einen interessanten Artikel aus der Welt, auch vom Anfang des Sommers, aufgehoben habe, in dem ein sehr geschätzter Autor sich darüber amüsierte, dass in Deutschland, wenn es um Flächenmaße geht, immer zwei Vergleichsgrößen herangezogen werden: 1.) das Fußballfeld, 2.) das Saarland.

Wobei das Saarland mit 2568 Quadratkilometern ein ziemlich präziser Maßstab ist, das Fußballfeld in seinem Umfang schwankt. Es darf nach den Regularien des Fußballbundes zwischen 90 und 120 Meter lang und 45 bis 90 Meter breit sein. Ein sehr kleines Feld hätte demnach nicht mal die halbe Fläche eines ganz großen. So was darf man sich fürs Saarland gar nicht vorstellen, man läse dann täglich im Mangfallboten und anderswo: »Schmilzt das Saarland heute wieder um zehn Fußballfelder?« Oder: »Saarland überraschend weiter ausgedehnt! Bald größer als das Selbstbewusstsein von Oskar Lafontaine?«

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Jedenfalls erschien zwei Wochen später, wieder in der Welt, vom gleichen Autor ein interessanter Text über die Tunguska-Katastrophe vor hundert Jahren: Damals, am 30. Juni 1908, passierte an einem Fluss namens »Steinige Tunguska« in Sibirien etwas bis heute Unerklärliches: Auf 2000 Quadratkilometern (eine Fläche, wie der Verfasser sachkundig anmerkte, »fast so groß wie das Saarland« und, wie ich hinzufügen möchte, vom Umfang eines Dreizehntausendstels der Arktis) waren Millionen Bäume umgelegt. Ihre Wurzeln zeigten auf einen einzigen Mittelpunkt. War ein Asteroid Kilometer über der Erde explodiert? Mit einem Ufo zusammengestoßen? Jedenfalls: Wäre die Katastrophe vier Stunden später passiert, wäre von Sankt Petersburg nichts übrig geblieben.

Nachts, wenn ich wach im Bett liege und mir wegen irgendetwas Sorgen mache, denke ich an diese Geschichte. Denn wenn ich mich der Dinge erinnere, deretwegen ich mir in Nächten vergangener Jahre den Kopf zerbrach, stelle ich fest: Nichts, was ich befürchtete, ist je eingetreten. Alle meine Sorgen: unnötig. Stattdessen passieren Dinge, auf die nie einer gekommen wäre. Tunguska. Wer kann sich denn so was vorstellen? Wird morgen über unseren Köpfen ein Ufo mit einem Asteroiden kollidieren? Werden wir am Boden liegen, die Füße zu einem einzigen Mittelpunkt ausgerichtet? Oder könnte es geschehen, dass, weil Präsident Bush die Ölförderung vor den US-Küsten erlaubte, durch ein Bohrloch im Meeresboden die Meere auslaufen? Als hätte jemand den Stöpsel gezogen.

Übrigens gehört zu den Ursachen, die für die Tunguska-Sache in Erwägung gezogen wurden, der Einschlag eines kleinen schwarzen Loches, womit wir beim Teilchenbeschleuniger in Genf wären, der Mittwoch kommender Woche in Betrieb genommen werden soll. In diesem Teilchenbeschleuniger werden, wie der Name schon sagt, Teilchen so beschleunigt, dass… na, zu wissenschaftlichen Zwecken eben. Und es hat Leute gegeben, die verhindern wollten, dass dieser T. in Betrieb genommen wird, weil sie glauben, dass dort unabsichtlich schwarze Löcher erzeugt werden könnten, in denen Genf, sogar die ganze Welt verschwinden könnten.

Wie immer man nun zu Genf im Speziellen und zur Welt im Allgemeinen stehen mag – die dortigen Wissenschaftler (die ja die Ersten wären, die das Schwarzloch fräße) sagen: unmöglich!

Falls Sie aber hier nächsten Freitag ein wie immer gefärbtes kleines oder größeres Loch angähnt – laufen Sie, laufen Sie! Es ist dann doch in Genf… also… Es wird nicht meine Schuld gewesen sein.

Illustration: Dirk Schmidt