Vor einer Weile las ich etwas über einen See in Süd-Chile mit dem seltsam-langweiligen Namen Cachet II, fünf Kilometer lang, einen Kilometer breit, 55 Meter tief. Dieser See war eines Tages innerhalb von zwölf Stunden komplett verschwunden, eine Tatsache, die den normalen Seenfreund durchaus erschüttert. Man stelle sich vor, die Familie machte wie gewohnt einen Wochenendausflug an den, sagen wir, Chiemsee – aber der Chiemsee wäre verschwunden. Die Insel Herrenchiemsee wäre Festland. Herren mit Paddelbooten grüben ihre Paddel ratlos in den Schlick. Das würde der Familie nicht gefallen, sie hatte sich auf einen See eingerichtet, und was wir an Seen schätzen, ist auch eine gewisse Beständigkeit.
Nun war Cachet II ein Gletschersee, das erklärt dies und jenes, denn jeder Gletscherseenexperte (oh, ein Wort mit sieben e, est des necht wenderber?!) weiß, dass Gletscher ein inneres Ablaufsystem fürs Wasser haben. Wenn der Gletschersee einen Zugang dazu findet, ist er, gluck, einfach wuck. Im Isländischen gibt es sogar ein Wort dafür, Jökullaup. Übrigens kommen die Seen immer wieder zurück, das isländische Wort dafür kenne ich aber nicht.
Mir fällt die Theorie von der Erdexpansion ein, wonach die Erde sich ausdehnt wie ein Luftballon. Als sie noch klein war, waren alle Kontinente miteinander verbunden, aber als sie sich auszudehnen begann, zerrissen die Erdteile – es bildeten sich zwischen ihnen die Ozeane. Wobei ich mich immer gefragt habe, woher das ganze Wasser für die Ozeane kam – jetzt ist es klar. Das Wasser war im Erdinnern, Jökullaup, verschwundene Seen, der Erdball war eine Wasserblase, und jetzt? Muss er hohl und leer sein, bis auf etwas schwappendes Cachet-II-Wasser.
An anderer Stelle hörte ich, Krokodilforscher hätten herausgefunden, wie sich Babykrokodile in ihren Eiern mit anderen Babykrokodilen in anderen Eiern verständigten. Sie machen leise »umph-umph« (zu deutsch: »amf-amf«), woraufhin sich in den anderen Eiern auch ein »umph-umph« erhebt, worauf alle Krokodilchen gemeinsam schlüpfen. Denn mit den Krokodilen ist es so: Sie fühlen sich sicherer, wenn sie nicht allein sind, das Kleinkrokodil ist ein zartes Wesen, nicht ledern-brutal wie das große. Die Forscher nahmen das »umph-umph« mit einem Tonband auf und spielten es anderen Krokodilsgelegen vor, worauf auch dort aus den Schalen kleine Krokodilsköpfe auftauchten.
Vernahm nicht auch Professor Habakuk Tibatong, als er in Urmel aus dem Eis am verschlossenen Urmel-Ei horchte, ein »feines Schmatzen«? Das geschlüpfte Urmel sagte aber nicht »umph-umph«, sondern »Qui quä pscht gluck gluck miminipi quä tsch tsch öh äh«, eine Äußerungsdifferenziertheit, zu welcher ein Krokodil nie in der Lage sein wird, weshalb ich das Urmel jedem noch so niedlichen Krokodilsbaby vorziehe.
Sieht man im Urban Dictionary nach, welches sich im Internet befindet und dem Nutzer ermöglicht, eigene Wortschöpfungen mit einer Bedeutung zu versehen, entdeckt man, dass »umph« (oder auch »umpf«) gleichbedeutend mit power ist und einem Amerikaner den Satz ermöglicht: »The car doesn’t have enough umpf to get up the steep hill.« (Das Auto hat nicht genug Amf, den steilen Berg hinaufzufahren.)
So viel war vom Werden und Vergehen die Rede, wir wollen des Boston-Terriers Ginger gedenken, der an der Leine seines Herrchens durch New York spazierte, als ein Straßenreinigungsauto kam und Ginger in sich hineinfegte.
Gibt es Schlimmeres, als eines komischen Todes zu sterben?
Frau F. schreibt aus Berlin, sie sei vor zwanzig Jahren mit ihrem damals vierjährigen Sohn die Königin-Elisabeth-Straße entlanggegangen, als der Sohn begann, am Zaun des dortigen Friedhofs emporzuklettern. Sie warnte ihn mit den drastischen Worten, wenn er runterfalle, sei er gleich richtig, »da sind nämlich die Toten begraben«.
Sohn: »Mama, die sind alle hier übern Zaun geklettert?«
Illustration: Dirk Schmidt