Das Beste aus aller Welt

Wussten Sie, was sich Postboten tagein, tagaus für einen Blödsinn anhören müssen? Hier können Sie es nachlesen.

Post vom Postboten bekommt auch nicht jeder. Aber ich! Sven Göpel hat geschrieben, der trägt in der Innenstadt von Lüneburg seit 25 Jahren die Briefe aus, und vor vielen Jahren hat er begonnen, die Floskeln zu sammeln, die ihm entgegenschallen, wenn er seine Arbeit macht, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat um Monat – und nun ist das hier im Wortstoffhof gelandet.

Wenn also Göpel sich auf den Weg gemacht hat und in ein Geschäft oder zu einem privaten Briefempfänger kommt, hört er zu 99 Prozent folgende Sätze: »Sie bringen ja eh nur Rechnungen.
Das können Sie gleich wieder mitnehmen.
Haben Sie meinen Lottogewinn?
Können Sie gleich wegschmeißen.
Keine Post ist gute Post.
So wie Sie möchte ich auch mal den Urlaub verbringen.«

An Tagen, an denen es regnet, geht es weiter mit:
»Haben Sie das Wetter bestellt?
Regnet’s?
Das meiste fällt ja vorbei!
Sie sind ja nicht aus Zucker.
Dann staubt es nicht so.
Haben Sie gestern nicht aufgegessen?
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung.
Sie laufen ja unten durch.
Bei solch einem Wetter macht’s auch kein Spaß.«

Meistgelesen diese Woche:

Kommt Göpel an einer Reisegruppe vorbei, die eine Stadtführung macht, ruft immer einer aus der Mitte der Gruppe: »Wollen wir ihn mal fragen, ob er was für uns hat?«
Und alle lachen.
Auch Göpel.

Kommt Göpel am Wagen der Müllabfuhr vorbei, ruft immer einer der Müllmänner: »Schmeiß rein, dann haste schneller Feierabend!«
Göpel schreibt: »Mir ist wichtig, dass Sie wissen, dass ich das alles nicht anprangere, denn wo kämen wir hin, wenn das alles nicht mehr gesagt werden
würde. Dann wäre alles sehr öde, und mir würde was fehlen.«

Tatsächlich ist das ja ein großes Thema: Sprache und Gewohnheit. Wir wohnen zwischen solchen Sätzen, wie wir zwischen Häusern leben, die sich auch nicht jeden Tag verändern, und ihre ritualisierte Wiederkehr hat etwas sehr Beruhigendes. Wo kämen wir hin, wenn der Herr, neben dem ich montags im
Fitness-Center immer auf dem Fahrrad-Ergometer sitze, mich mit etwas anderem begrüßen würde als: »Wie stehen die Akazien?«

Was wäre, wenn die Leute, die draußen vor der Kneipe nebenan in der Sonne sitzen und rauchen, auf die Frage »Wie geht’s?« einmal etwas anderes antworteten als: »Am liebsten gut!« (Man könnte auch rufen: »Alles in Dortmund?« Dann wäre ein »Alles Roger in Kambodscha!« als Antwort angemessen.)

Wer wäre eher berufen als ein Postbote, sich mit einem solchen Thema zu beschäftigen? Oder ein Kolumnist? Wobei auch Göpels Freundin Netti, die als Verkäuferin arbeitet, mittlerweile Sätze sammelt, jene zum Beispiel, mit denen
Kunden sich aus einem Verkaufsgespräch ausklinken:
»Dann weiß ich erst mal Bescheid.
Wie lange haben Sie geöffnet?
Ich komm dann mal wieder.
Eigentlich habe ich ja schon alles.«

Sehr schön auch das Ergebnis bei Reaktionen, wenn jemand im Laden etwas aus der Hand fällt:
»Seien Sie froh, dass es nicht nach oben fällt.
Gib her, ich heb’s auf.
Tritt sich fest.
Oh, die Schwerkraft funktioniert wieder.«

So viel für heute. Tschüssikowski. Nächste Woche geht’s weiter. Muss ja. Das Leben ist kein Ponyhof. Da muss man durch. Da bleibt uns nichts Walter Ulbricht. Tel Aviv. Bis dannimanski, machen Sie’s gut. Aber nicht zu oft.

Illustration: Dirk Schmidt