Kürzlich landete ich im Internet in einem Forum mit dem Titel Alle Hosen rutschen über den Hintern, also, ich scherze jetzt nicht, da beklagt sich eine Frau, dass alle Hosen, die sie ihrer Tochter kauft, über den Hintern nach unten rutschen, sie finde einfach keine Lösung für diese Frage: »Gibt’s denn keine normalen Hosen mehr für Kinder die wir früher hatten die noch über die Hüften gingen oder kauf ich einfach falsch ein? Was habt ihr für Hosen? Ich habe mittlerweile esprit, Takko, Tom Tailor, Topolino, C & A, die von NKD (sind eh zu schmal), Lemmi, Diesel, Levi’s … im Schrank und keine paßt vernünftig alle rutschen.«
Man fasst es nicht. Die Frau besitzt Hosen von mindestens neun Markenfirmen für ihre Tochter, doch keine dieser Hosen sitzt vernünftig, und sie kriegt das nicht geregelt! Wo leben wir? In Mitteleuropa haben wir es zu nie da gewesenem Reichtum gebracht, selbst den Ärmsten geht es hundert Mal besser als den Armen in Asien, Afrika und Südamerika – und dann haben Leute neun Hosen daheim, aber alle rutschen, weil eine wahnsinnige Mode-Industrie für Jugendliche seit einer ganzen Weile hauptsächlich Hosen produziert, deren Hüftbund unter dem Hintern ansetzt, sodass männliche Halbwüchsige bei jedem Wetter in Unterhosen durch die Gegend schlurfen, während um ihre Beine eine Hosenstoffmenge herumschlabbert, die für ein Campingzelt ausreichen würde.
Was ist zu tun? Normiert nicht die Europäische Union alles und jedes, warum also nicht auch Hosen? Wäre ein Einheitsbeinkleid denkbar, eine Brüsselhose? Andererseits gibt es den EU-Entbürokratisierer Edmund Stoiber, der in einem Interview, in dem es ums rechte Maß an Regeln und Kontrolle ging, mit einer Hosenrutsch-Metapher antwortete: »Natürlich will jeder verhindern, dass ihm die Hose rutscht. Die Frage ist aber: Reicht es, wenn ich mir einen Gürtel umziehe, oder brauche ich darüber hinaus noch Hosenträger und eine Sicherheitsnadel?«
Eine Sicherheitsnadel? Man fragt sich, wie man eine rutschende Hose mit Hilfe einer Sicherheitsnadel befestigen soll. Trägt Stoiber als Nabelpiercing eine Art Öse, durch das er eine Hosennadel zu stecken in der Lage wäre? Soll der EU-Bürger sich eine Nadel durch die bloße Hüfthaut schieben, um sackende Hosen am Leib zu fixieren? Oder ist die Sache so gedacht, dass eine durch Hemd und Hose geschobene Sicherheitsnadel im Falle eines plötzlich-gleichzeitigen Versagens von Hosenträgern und Gürtel ein drittes Anti-Rutsch-System böte (wie es bei Atomkraftwerken auch mehrstufige Sicherheitskonzepte gibt), ein Trio, das gegen die Hosenanziehungskräfte der Erde wirkt?
Wobei man das Wort »Trio« im Fall Stoiber nicht aussprechen kann, ohne zu bedenken, dass er es war, der den erweiterten Trio-Begriff schuf, den des Vierer-Trios, als er nach einem Fußballspiel sagte: »Wer ein Trio vorne hat wie Ronaldo, Ronaldinho und äh … äh äh und äh … und die anderen Brasilianer … Carlo … Roberto Carlos … das ist äh … das ist … Rivaldo dazu noch … Rivaldo … äh … äh … ah … Rivaldo und äh … Ronaldinho und Ronaldo … also … das dann verloren zu haben, das ist zwar bitter, aber nicht so bitter.«
Dies erinnernd, könnte man zum Trio Gürtel/Hosenträger/ Sicherheitsnadel noch die Büroklammer oder das doppelseitige Klebeband hinzu, äh … tun, wenn nicht ein fahrbares Hosengerüst, in dem der Hosenbesitzer sich bewegt, ein körperumschließender Rollator, an dem die Hose aufgehängt würde, sodass Rutschen ausgeschlossen wäre.
Was aber können wir Menschen sagen, die mit dem Problem rutschender Hosen letztlich nicht fertig werden? Welche Antworten hat unsere Gesellschaft für jene, die inmitten unseres Hosenreichtums keine Lösung für die bittere (wenn auch nicht so bittere) Frage finden, wie sie eine Hose an sich selbst befestigen könnten? Sind wir letztlich zu einer Versöhnung von Mensch und Hose in der Lage?
Müsste man nicht dazu aber auch an die Hosen selbst appellieren? Dass sie wissen müssen, was sie tun, wenn sie rutschen. Dass sie sich besinnen sollten! Die Hose verliert ihren Sinn, wenn sie nicht getragen werden kann. Der Mensch kann im Letzten ohne Hose leben, nie aber die Hose ohne den Menschen …
Illustration: Dirk Schmidt