Was die Welt angeht, so zerfällt sie in essbare und nicht essbare Bestandteile. Das Brot auf meinem Tisch ist essbar, der Tisch nicht. Die Äpfel im Fahrradkorb sind essbar, das Fahrrad nicht. Die Spaghetti auf dem Teller: essbar. Der Teller bleibt stehen.
Das erscheint sinnvoll. Der Mensch muss sich ernähren, aber es muss Dinge geben, die bleiben. Es hätte keinen Sinn, dass ich mir ein teures Auto kaufe, wenn ich eines Tages feststellen müsste, dass meine Kinder und ihre Freunde es aufgegessen haben, weil sie Lust auf graues Blech und Ledersitze hatten. Nein, die Autos müssen durch ihre Nicht-Essbarkeit geschützt werden. Zum Beispiel.
Nun nehmen wir aber mal das Mineral Sepiolith. Wie allgemein bekannt ist, gehört es zum orthorhombischen Kristallsystem und ist den meisten von uns unter der Formel Normal 0 21 Mg4Si6O15(OH)2·6H2O geläufig. Man nennt es auch Meerschaum, baut diesen Stoff zwischen Istanbul und Ankara nahe der Stadt Eskisehir ab und verwendet ihn zum Beispiel in Katzenstreu. Warum? Weil er enorm saugfähig ist. Man baut auch Pfeifen aus Meerschaum, aber das Mundstück muss aus anderem Material sein, weil Zunge und Lippen am Sepiolith kleben würden, das Zeug saugt das Wasser aus diesen Körperteilen.
Nun haben Wissenschaftler Sepiolith sich mal richtig vorgeknöpft, die Ergebnisse werden im Oktoberheft des American Mineralogist zu lesen sein, aber das Wichtigste schon hier: Die Zukunft des Sepiolith liegt nicht in der Katzenstreu, sondern im Nahrungsmittelbereich: Essbarem beigefügt, erhöht Sepiolith dessen Haltbarkeit.
Wir werden also Sepiolith essen, wir werden verzehren, was bisher in Katzenklos liegt. Die Grenze zwischen Essbarem und Nicht-Essbarem wird verschoben. Die Welt wird, aufs Ganze gesehen, essbarer.
Einen Schritt weiter: Was, liebe Freunde, ist das Nicht-Essbare schlechthin? Es ist, lasst es uns aussprechen, das menschliche Exkrement. Hier kommen wir zur Forschungsarbeit von Mitsuyuki Ikeda an der Universität in Okayama/Japan. Ikeda wollte die Weiterverwendbarkeit von Klärschlamm aus Haushalten untersuchen und entdeckte dabei, dass der Schlamm eiweißreich ist. Also extrahierte er dem Schlamm Proteine, machte in seinem Labor dies und jenes damit, färbte das Ergebnis rot, gab Geschmacksverstärker hinzu und behauptet seitdem, er habe ein künstliches Steak geschaffen. Man könnte auch sagen, wie einer der Leser des Internetartikels, in dem davon berichtet wird: einen Shitburger.
Der Mensch als geschlossenes System. Selbstversorger. Könnte von großer Bedeutung zur Rettung der Menschheit sein, wäre die Geschichte von Herrn Ikeda nicht ein Scherz, intelligent und witzig gemacht, aber doch ein Scherz, auf den mittlerweile viele Zeitungen, Sender und Internetseiten hereingefallen sind, warum auch nicht? Ist die Geschichte vom Shitburger angesichts unseres Umgangs mit Fleisch so abwegig? Um einen Gedanken aus dem hochinteressanten (und ganz wahren!) Artikel über künstliches Fleisch vorn in diesem Heft weiterzuspinnen: Haben nicht die meisten Menschen längst vergessen, woher das Fleisch aus der Kühltruhe stammt? Wissen sie überhaupt noch, dass es Fleisch ist? Woher Fleisch kommt? Was geschehen muss, damit man es essen kann?
Was wird aus den Tieren, wenn Fleisch künstlich sein wird? Natürlich wird es keine gequälten Rinder, Schweine, Hühner mehr geben. Aber wird es überhaupt noch Tiere geben? Wozu? Selbst die Haltung einer Katze belastet das Klima mit mehr als zwei Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Und was wird aus dem Menschen, wenn es keine Tiere mehr gibt? Was aus den Weiden, wenn keine Kühe darauf grasen, weil man auch Milch in Milchfabriken machen wird? Und Äpfel in der Apfelindustrie. Braucht man noch Äpfel? Wird man nicht unter Umgehung des Ausgangsprodukts gleich Apfelkuchen vom Fließband laufen lassen?
Und was ist mit dieser Kolumne? Ist es nicht eine gigantische Verschwendung, dass sie hier einfach so steht, nutzlos nach dem Lesen? Sollte man sie nicht nach der Lektüre essen können, vielleicht sogar schon vorher?
Illustration: Dirk Schmidt