Peer Steinbrück ist Kanzlerkandidat der SPD, vielleicht wird er einmal das Land führen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass Peer Steinbrück, sollte er einmal Bundeskanzler werden, in der Ahnenreihe der sozialdemokratischen Regierungschefs Deutschlands jener mit dem stärksten Haarausfall wäre. Schon Willy Brandt hatte durchaus lichtes Haar, aber in seiner Nachfolge entschied sich das Land, wenn es sozialdemokratisch geführt zu werden wünschte, doch stets für Männer mit kraftvollem, dichtem Haarbesatz: Helmut Schmidt, Gerhard Schröder. Und Willy Brandt lag, mit Peer Steinbrück verglichen, in der Haartabelle immer noch ein paar Punkte vorn. Das wird niemand ernsthaft bestreiten.
Man mag es jedoch für belanglos halten. Andererseits ist es interessant, dass die SPD, vor die Wahl zwischen Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück gestellt, eine ganz klare Entscheidung traf, was den Kopfbewuchs angeht: Sie setzt, obwohl oder weil sie die Alternative klar vor Augen hatte, nicht auf dichte Schöpfe, sondern auf eine gewisse Übersichtlichkeit auf dem Kandidatenschädel.
Hier bekommt nun die Forschungsarbeit von Albert Mannes Bedeutung, der an der Universität von Pennsylvania in den USA lehrt. Mannes machte mit sechzig Teilnehmern verschiedene Experimente. Zunächst legte er ihnen Fotos von Männern gleichen Alters und gleicher Statur vor, jedoch mit unterschiedlicher Haarmenge. Die Frage war, welche dieser Männer am mächtigsten, einflussreichsten und am meisten Respekt einflößend wirkten. An der Spitze, ganz klar: die mit der Vollglatze.
Nächste Frage: Den sechzig Probanden wurden Bilder des jeweils gleichen Mannes vorgelegt, einmal gut behaart, das andere Mal glatzköpfig. Hier stellte sich heraus, dass die kahl rasierte Version nicht nur als dominanter eingeschätzt wurde, sondern auch als größer und muskulöser.
Drittens: Nun legte man den Leuten bildlose Texte vor, in denen Männer beschrieben wurden. Auch hier erlangten jene Männer, deren Glatzköpfigkeit erwähnt worden war, die höchsten Werte, was Männlichkeit betraf.
Aus alledem wird ganz klar deutlich, dass Männer ohne Haar tatkräftiger und führungsstärker wirken. Indes, so Albert Mannes, die mit dem vollen Haar sähen immer noch besser aus. Sie seien attraktiver.
Und was ist mit denen in der Mitte? Die mit dem breiter werdenden Scheitel und dem sich lichtenden Besatz? Na ja, das ist es eben. Sie sind nicht mehr schön, können aber mit jenen, deren Schädelhaut in der Sonne glänzt, in puncto dominanter Wirkung nicht mithalten.
Die Konsequenz aus Mannes’ Forschungsarbeit, nachzulesen im Fachblatt Social Psychology and Personality Science: Männer mit Halbglatze »können ihr Wohlbefinden steigern, indem sie vollenden, was Mutter Natur begonnen hat«. Greifen Sie zum Rasierapparat! Sie werden an Attraktivität verlieren, aber in Ihrer Umgebung massiv den Eindruck von Entschlossenheit stärken. Und dieser Eindruck ist es doch, den ein Kanzlerkandidat erwecken möchte.
Denken wir an Berlusconi: Seine Macht verfiel synchron mit seiner Haardichte. Aber statt die letzten Reste zu beseitigen, entschloss er sich zur Transplantation. Wie man hört, nahm er Brusthaare der Spieler der Meistermannschaft seines AC Mailand von 2011. Oder waren’s Schamborsten vom Breitmaulnashorn? Jedenfalls: B. wollte zurück zur Attraktivität. Entfernte sich von der Kraft der Kahlen. Ende bekannt. Es war der falsche Weg.
Männer mit beginnender Glatze wirken, sprechen wir offen, halbherzig. Als hätten sie keine Kraft zum letzten Entschluss. Als fehle ihnen mentale Energie zur Selbstgestaltung. Wie aber soll jemand, der nicht auf dem eigenen Kopf Ordnung schaffen kann, den Märkten zu Leibe rücken, die Griechen einnorden, Putin Paroli bieten? Es gar mit Angela Merkel aufnehmen? Um es an diesem Punkt unseres Beitrags über Peer Steinbrück im Licht der Wissenschaft »zuzuspitzen« (Peter Glotz): Bankenpapiere zu schreiben ist das eine, eine kraftvolle Schädelrasur das andere.
Illustration: Dirk Schmidt