Diese ständige Kritik an der NSA, das geht mir zu weit. Wie der Bäcker backt und der Manager managt, so spioniert der Spion – das ist seine Aufgabe im Leben, dazu ist er auf der Welt. Es ist aber ein Wahnsinn, dass wir alle nun von den Tätigkeiten der Amerikaner wissen. Der Begriff des Geheimdienstes sagt, dass er im Geheimen zu dienen hat; er soll also seinen Aufgaben nachkommen, ohne dass andere davon auch nur das Geringste erfahren. Hier liegt in Wahrheit das einzige und allerdings scheußliche Versagen der Sicherheitsleute: dass sie plötzlich im grellsten Lichte stehen wie Grottenolme ohne Grotte.
Es ist also festzustellen: Geheimdienste im früheren Sinne gibt es eigentlich nicht mehr, sie sind im Gegenteil zu öffentlichen Diensten geworden, warum auch nicht? Der moderne Bürger liefert ja ohnedies freiwillig sein Allergeheimstes bei Facebook ab, auch legt er mit seinem Smartphone eine leuchtende Spur durch das Dunkel der Welt. Unsere Fernsehkanäle sind verstopft von Menschen, die über Gallensteine, Burn-out und Impotenz reden wie unsere Großeltern über das Wetter, und im ZDF führte ein Fachmann kürzlich vor, wie man mit Hilfe eines Notebooks, eines Mobiltelefons und einer kostenlos schnell verfügbaren Software jedes Mobiltelefonat in der Umgebung mithören kann. Das geht so leicht, dass heute die wahre Anstrengung eines Menschen im Grunde darin liegt, das Geheimste seines Nachbarn nicht zu kontrollieren.
Und da sagt Frau Kanzlerin, »Ausspähen unter Freunden«, das gehe gar nicht?! Der moderne Begriff des »Freundes« besagt doch gerade, dass man ihn gar nicht erst »ausspähen« muss, er liefert ungezwungen, was man wissen oder auch nicht wissen will, bei den Sozialmedien ab, denn hier gilt nur der etwas, der möglichst viele Freunde hat, die möglichst viel von ihm wissen. Insofern macht sich verdächtig, wer das nicht tut: Kann jemand Freund sein, der nicht abgehört werden will?
Und was ist das für ein Aberwitz, den Staat, wie Angela Merkel, mit Hilfe eines der CDU gehörenden, unverschlüsselten und also quasi einem Megafon ähnelnden Handys zu lenken – und sich dann zu beschweren, die NSA habe getan, was jeder Hobbyhandwerker hätte tun können?! Hätte sie nicht abgehört werden wollen, hätte sie ein Krypto-Telefon benutzen sollen! Bloß: Gerade dann hätte die NSA sie abhören müssen, um festzustellen, ob sie überhaupt eine Freundin im Sinne der modernen Definition ist.
Wenn es nun aber mal so ist, dass die NSA im Prinzip kein Geheimdienst mehr ist, sondern eine öffentliche Agentur, warum ziehen wir nicht die Konsequenz daraus und tun, was Bruno, mein alter Freund, gerade vorgeschlagen hat: Die NSA wird selbst Netzbetreiber wie, sagen wir, Vodafone oder Telekom. Man lässt Handy und Datenströme direkt über sie laufen – und zwar kostenlos: Alles, was durch das NSA-Netz rauscht, darf mitgehört, mitgeschrieben und unbegrenzt gespeichert werden. Das wird es ja sowieso, nur halt im Moment ein bisschen am Rande der Legalität.
In der von Bruno beschriebenen Zukunft aber hätten alle etwas davon. Wir würden unsere monatliche Telekommunikationsrechnung auf Null bringen, und die NSA müsste nicht mehr umständlich irgendwelche fremden Netze in anderen Ländern oder Kabel auf hoher See anzapfen. Das kostet ja auch, und zwIar Steuergeld.
Worum es also geht: die Geheimdienste in eine neue, bürgernahe Zukunft zu führen. Das Dauergenöle über ihre Arbeit wird aufhören, wenn das Geheime ein Ende hat, und nun der Dienst in den Vordergrund tritt: Wir verschenken unser Geheimstes und bekommen dafür Gratistelefonie, Freimails und das beste Netz der Welt.
Schluss mit Secret, ab jetzt nur noch: Service!
So viel an Modernisierungsvorschlägen für heute. Damit die NSA auch wirklich gleich zuerst davon erfährt, habe ich diesen Text vor der Veröffentlichung meiner Frau bei einem Spaziergang im Wald vorgelesen.
Illustration: Dirk Schmidt