Ein Mann, Jurist von Beruf, hat die Stadt Heilbronn verklagt. Er war, las ich in der Leipziger Volkszeitung, mit seinem Auto »auf dem Heimweg von einem romantischen Kurzurlaub am Bodensee, in dem er seiner Freundin einen Heiratsantrag« gemacht hatte. (Im Bodensee? Nein, im Kurzurlaub!) Jedenfalls habe es plötzlich, las ich, einen »brutalen Schlag« getan. Das Auto war in ein zwölf Zentimeter tiefes Schlagloch gerasselt, ein Reifen war kaputt. Den Schaden in Höhe von 500 Euro wollte der Mann ersetzt haben; die Stadt sei verpflichtet, sich um ordentliche Straßenbeläge zu kümmern.
So was liest man überall: Asphalt reißt, Krater klaffen, Brücken stehen vor dem Einsturz. Das Land verkommt, seine Verkehrswege verrotten. Die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher, wenn sie von ihren Heiratsanträgen heimkehren. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig hat deshalb vor drei Wochen angeregt, eine Sondersteuer zu erheben, mit deren Einnahmen dem allgegenwärtigen Gebrösel Einhalt geboten werden soll. Wussten Sie übrigens, dass Kaiser Wilhelm II. vor einhundert Jahren den Bau des Nord-Ostsee-Kanals teilweise mit einer Sondersteuer auf Schaumwein finanzierte, die eigentlich für den Flottenbau erhoben worden war? Nun ist dieser Kanal in desolatem Zustand. Eigentlich müsste es jetzt heißen: Sekt saufen gegen den Zahn der Zeit.
Das Interessante an Albigs Idee ist, dass man endlich einmal erführe, wofür das Geld verwendet wird, das der Staat bekommt. Im Allgemeinen streichen die Finanzbehörden Steuergeld doch nur ein, der Bürger aber erfährt nie, zu welchem Fenster genau sein Beitrag dann hinausgeworfen wird. Wendete man aber Albigs Einfall der Konkretsteuer mal auf das gesamte staatliche Finanzsystem an – wäre das nicht wunderbar? Wenn bei jedem Euro, der von unserem Arbeitslohn einbehalten wird, genau deklariert würde, wo er wieder ausgegeben werden soll, und wenn der Einzelne schon in seiner Steuererklärung formulieren kann, wohin er das Geld fließen zu sehen wünscht: Das wäre eine kaum für möglich gehaltene Transparenz.
Man könnte nämlich schreiben: Ich widme meine Einkommenssteuer der Pflege der Heilbronner Straßen sowie der Bezahlung der dortigen Standesbeamten. Oder: Von meinem Geld sollen die Schwimmbäder der Stadt in Schuss gehalten werden. Ich möchte, dass mit meinen Euros das Gehalt der Lehrerin finanziert wird, die meinen Sohn jeden Tag so gut unterrichtet. Mein Wunsch ist, dass diese Steuern für Pensionszahlungen an Bundeskanzlerin Merkel zurückgelegt werden. Kaufen Sie mit Hilfe des von mir geleisteten Beitrags einige schöne Maschinengewehre für die Bundeswehr!
Bruno, mein alter Freund, sagt, man könnte den Plan ausweiten und jedem Produkt, für das Mehrwertsteuer abzuführen ist, eine Art Beipackzettel beifügen: Erwirbt man etwa einen Rasenmäher, stünde da, dass achtzig Prozent der 19 Prozent Umsatzabgabe in die Finanzierung der Beamtenpensionen fließen, sechs in die Pflege der Rabatten in den Stadtgärten, drei in den Unterhalt der städtischen Orchester und so weiter und so weiter.
Ich halte das für eine geniale Idee. Denn es wird ja immer geklagt, dass die Bürger sich unserem Staat so wenig verbunden fühlten, dass er ihnen so fremd und fern sei und die Politikverachtung Jahr für Jahr neue Rekordausmaße erreiche. Nun aber könnte der Vater, führe er mit der Familie in der Trambahn durch die Stadt, sagen: Seht Ihr den Baum da an der Ecke? Den haben wir bezahlt. Und erschiene Andrea Nahles im Fernsehen, würde man vielleicht sagen: Ja, sie mag die Renten erhöhen, aber ihr selbst habe ich jetzt ordentlich was vom Gehalt abgezogen; es war mir doch zu blöd mit ihr in letzter Zeit.
Mancher wird einwenden, der Plan habe Schwächen. Zum Beispiel würde niemand freiwillig etwas für den Unterhalt des Berliner Unflughafens zahlen. Das stimmt. Andererseits: Ist das eine Schwäche?
Illustration: Dirk Schmidt