Das Beste aus meinem Leben

Früher trug ich eine Brille. Jetzt trage ich keine mehr.»Man erkennt Sie gar nicht mehr«, sagte neulich jemand zu mir. »Man war so an Ihre Brille gewöhnt.«»Ich erkenne Sie ja auch nicht mehr«, antwortete ich. »Oder jedenfalls erst, wenn Sie kurz vor mir stehen.«Meine Brille war aber nicht allzu stark, deshalb trage ich jetzt auch keine Kontaktlinsen. Meine Augen sind nackt. Ich bekam die Brille, als ich den Führerschein machte, da war ich 18, und beim Autofahren trage ich sie auch immer noch, es steht in meinem Führerschein, dass ich sie tragen muss, also trage ich sie. Im Auto. Und im Kino natürlich. Das ist der Grund, warum ich nach Möglichkeit immer mit dem Auto zum Kino fahre. Damit ich meine Brille nicht vergesse.Damals, als ich Paola kennen lernte, trug ich noch meine Brille. Sie sah mich an und sagte: »Man kann dir gar nicht in die Augen sehen. Nimm diese Brille ab!«»Wieso kannst du mir nicht in die Augen sehen?«, fragte ich. »Es ist doch keine Sonnenbrille.«»Trotzdem. Es ist eben dieses Glas dazwischen.«So ging das eine Weile immer wieder. Nachdem Paola ungefähr fünfhundert Mal zu mir gesagt hatte, man könne mir nicht in die Augen sehen mit dieser Brille, nahm ich die Brille ab. Und setzte sie nicht mehr auf.Seltsamerweise bedeutete für mich mit 18 das Tragen einer Brille so eine Art Erwachsenwerden. Auch mein Vater trug ja eine Brille. Auch er bekam sie, als er ungefähr 18 war, aber nicht für den Führerschein, sondern als er Soldat wurde. Als er sieben Jahre später nicht mehr Soldat war, hatte er nur noch ein Auge, aber Brille trug er natürlich immer noch, nur jetzt links mit Fensterglas.Und es gibt da eine eigenartige Geschichte. Immer wenn mein Vater etwas trank, machte er dabei ein leises, klickendes Geräusch, jedenfalls wenn er das Glas oder die Tasse bis zur Neige leer trank. Nie konnte ich mir als Kind dieses Geräusch erklären. Aber ich fragte auch nicht. Ich nahm es einfach hin, wie man als Kind Dinge manchmal hinnimmt. Irgendetwas in meinem Vater klicke eben beim Trinken, dachte ich, vielleicht der Kehlkopf, wenn er herauf und herunter fahre, vielleicht der sich öffnende Schlund, vielleicht der sich abschaltende Durst.Und dann bekam ich selbst meine Brille. Leerte eines Morgens beim Frühstück hastig meine Kaffeetasse bis auf den Grund – klick! Das war es. Ich konnte es jetzt selbst, das Klicken. Ich hatte meinen Vater verstanden. Ein Rätsel gelöst. Und meine Frau kann mir in die Augen sehen.Deshalb trage ich keine Brille mehr. Wozu auch?