Das Beste aus meinem Leben

Etwas Ferngelenktes zu besitzen, ein Auto oder ein Schiffchen oder einen Flieger, davon träumen wir doch alle. Oder haben wir jedenfalls irgendwann mal geträumt. Man steht da oder sitzt und hat einen kleinen Kasten in der Hand und irgendwo da hinten saust ein kleiner Wagen über Berg und Tal oder ein Schiff tanzt über die Wellen oder ein Flugzeug dreht über den Köpfen einen Looping nach dem anderen – das ist eine kleine Machtfantasie, die ihrerseits eine gewisse Macht über uns gewinnen kann.Aber die Wirklichkeit, die Wirklichkeit…Der Luis hat ein Schiff zu Weihnachten bekommen, ein richtiges Rennboot, pfeilschnell und schnittig gebaut. Nur dass Weihnachten ein seltsamer Termin für so ein Geschenk ist, da sind die Seen zugefroren. Aber so etwas Schönes wie ein ferngesteuertes Rennboot muss man sich eben zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünschen und beim Luis ist beides im Winter.Das Rennboot kam erst einmal oben auf den Schrank und wartete auf seine Zeit. Dann würden wir es mit aufs Land nehmen, an den See, dort würde es übers Wasser sausen, von unsrer fernen Hand gelenkt. Aber wir vergaßen das Boot. Wochenende um Wochenende vergaßen wir’s, bis irgendwann Paola sagte: »Wir haben das Boot vergessen.« Da packten wir es ein. Es war schon Sommer.Wir mieteten ein Ruderboot am See, weil wir dachten, es wäre schön, das Boot vom Boot aus fahren zu lassen, weit draußen auf dem Wasser, nicht im Gewimmel am Strand. Den Akku des Schiffs hatten wir aufgeladen, aber nach einer Viertelstunde Rudern merkten wir, dass in die Fernsteuerung acht kleine Batterien gehörten. Die hatten wir nicht dabei.»Das gibt’s doch nicht«, sagte ich. »Monatelang schaut sich keiner das Boot an – und jetzt, hier draußen…«»Hättest dich ja mal kümmern können«, sagte Paola.Schweigend ruderte ich zurück, stieg ins Auto, fuhr zur Tankstelle, holte Batterien, ruderte wieder hinaus.Endlich fuhr das Boot. Luis hatte das Steuergerät in der Hand und wie ein kleines, emsiges Tier surrte das Schiffchen um uns herum, sprang über die Wellen wie ein junger Hund übers Gras.»Lass mich auch mal, Luis!«, rief Paola.»Nein, ich…«, rief Luis.»Jetzt lass mich!«, rief ich.»Nein, ich…!«, rief Luis.Da hörte das kleine Boot plötzlich auf zu fahren. Trieb still auf dem Wasser. Ich ruderte zu ihm, hob es an Bord und untersuchte es. »Wahrscheinlich ist der Akku leer. Diese Leuchte hier müsste leuchten und leuchtet nicht«, dozierte ich.Ich ruderte zurück. Zu Hause hängten wir den Akku eine Weile an sein Ladegerät, dann vergaßen wir ihn. Als wir ihn wieder entdeckten und das Boot auf dem Trockenen ausprobierten, lief der Motor nicht. Ich bastelte eine Weile herum, dann kam ich zu dem Schluss, der Akku sei kaputt. Paola sagte, sie werde mit Boot, Akku und Fernsteuerung in den Laden gehen und sich beschweren. Das dauerte wieder eine Weile, sie kam mit einem neuen Akku zurück. Den luden wir auf und fuhren wieder an den See.Kaum waren wir dort aus dem Auto gestiegen, raste Luis mit dem Boot unter dem Arm zum Wasser, setzte es drauf und ließ es fahren.»Warte, Luis, langsam!«, rief ich.»Lass es uns erst in Ruhe probieren!«, rief Paola.Aber Luis ließ das Boot schon über den See fegen, fast fuhr es über ein badendes Mädchen hinweg, dann sauste das Boot ins Schilf und blieb hängen. Ich holte es. Der Motor lief nicht mehr.»Bestimmt ist innen alles feucht«, sagte ich.Wir fuhren wieder heim, um das Boot zu trocknen. Es befindet sich nun neun Monate lang in Luis’ Besitz und ist in dieser Zeit ungefähr zehn Minuten lang gefahren. Das ist nicht sehr viel, dafür dass…Ehrlich gesagt, fand ich die Zeiten, in denen ich von etwas Ferngelenktem geträumt habe, schöner.