Manchmal hat man das Gefühl, auch andere Leute hätten es im Leben nicht immer leicht, auch bei ihnen gebe es Probleme, die wir bestens kennen, auch sie…Dazu folgende Geschichte.In den Sommerferien saßen wir oft auf der Terrasse eines kleinen Lokals im Chiemgau und aßen zu Abend, rechts die untergehende Sonne, links die Berge im Blick. Seltsamerweise war es hier nie besonders voll, obwohl ich im ganzen Chiemgau kaum einen schöneren Platz kenne. An dem Abend, von dem ich erzähle, teilten Paola, Luis und ich uns die Terrasse mit zwei, drei Ehepaaren und einem weiteren, ziemlich jungen Paar, das am Tisch gleich neben uns aß und trank und Händchen hielt.Auch wir aßen, tranken und schlugen zwischendurch mit unseren Händen ein paar Mücken entzwei. Luis spielte im Restaurant mit den beiden kleinen Töchtern des Wirtes und deren Barbie-Puppen sowie meinem Handy. Wieder und wieder führte er den beiden mit lässigen Gesten nie gehörte Klingeltöne vor, immer neue Kicherstürme erntend.Es wurde dunkel. Die Kellnerin stellte Kerzen auf die Tische. Das junge Paar am Nebentisch beschloss zu gehen. Sie zahlten, dann bekamen ihre Blicke etwas Suchendes. Sie wühlte im Rucksack, er in den Hosentaschen. Dann richteten sich ihre Blicke unter den Tisch.»Suchen Sie was?«, fragte Paola.»Ja, unseren Autoschlüssel.«»Luis!«, rief ich. Er tauchte in der Terrassentür auf. »Magst du beim Schlüsselsuchen helfen? Du bist doch Spezialist für so etwas.« Luis eilte. »Vielleicht ist er im Rucksack?«, fragte er.»Da haben wir nachgesehen«, sagte die junge Frau.Luis krabbelte unter den Tisch. Nahm eine Kerze und leuchtete nach und nach die Terrasse aus. Der junge Mann schritt die Wege ab, die er oder seine Freundin im Lokal und auf dem Weg vom und zum Parkplatz gegangen waren. Ergebnislos kehrte er zurück. Inzwischen waren auch die anderen, weiter entfernt sitzenden Gäste aufmerksam geworden, dazu der Wirt. Allmählich beteiligten sich alle an der Suche, stöberten hier, sahen dort nach, gaben diesen oder jenen Tipp.»Um Gottes willen!«, sagte der junge Mann, »wir möchten doch nicht, dass Sie alle…«»Das macht nichts«, sagte jemand, »da hilft man gerne.«»Es ist so peinlich«, sagte die junge Dame, »immer passiert uns so was.«»Sie glauben nicht, wie oft…«, fügte ihr Freund hinzu.»Wir waren auch mal verliebt«, röhrte ein älterer Herr aus dem Hintergrund. Alle lachten, nur seine Frau nicht.Wir dehnten unsere Suche auf den Parkplatz aus. Der Wirt war hier mit einer Taschenlampe unterwegs. Sein Lokal ist abgelegen, ohne Auto ist man verloren.»Wenn ich Sie noch um eine Kleinigkeit bitten dürfte«, sagte der junge Mann. »Sie könnten den Parkplatz mit ihren Autoscheinwerfern ausleuchten.«Ich leuchtete. Der junge Mann suchte und suchte, kroch unter seinem Auto umher, einem kleinen grünen Ford. Nichts. Schließlich fuhren wir, Luis musste ins Bett. Auch die anderen Gäste fuhren. Wo der Schlüssel war? Das Rätsel blieb für uns an dem Abend ungelöst.Am nächsten Tag besuchten wir das Lokal wieder, setzten uns, und am Nebentisch…»Sind Sie schon wieder da oder suchen Sie immer noch Ihren Schlüssel?«, fragte Paola.Die beiden lachten. »Wir haben ihn gefunden, gestern.«»Und wo?«»Sehr peinlich«, sagte er. »Extrem peinlich.«»Ja?«»Im Rucksack.«»Aber den hatten Sie durchsucht.«»Nicht genug.«Der Abend ging dahin. Wieder standen die beiden irgendwann auf, zahlten, gingen. Diesmal war der Schlüssel da. Wir lachten und winkten. Unten am Parkplatz sprang das kleine grüne Auto an und fuhr davon.Nach fünf Minuten begann die Kellnerin, den Tisch der beiden aufzuräumen. In einem der beiden Sessel fand sie einen roten Herrenpullover und hob ihn hoch.»Sieh mal an«, sagte ich. Wir zahlten, gingen, fuhren.Unten auf der Straße kam uns ein kleiner grüner Ford entgegen.