Das Beste aus meinem Leben

Manchmal wäre ich gern ein Vater, der die vielen Fragen seiner Kinder besser beantworten kann. Ich kenne einige Väter, die praktisch alle Fragen ihrer Kinder beantworten, sie lassen nie eine Lücke und können alles erklären, was die Kinder zu wissen begehren. Zwar werden die Kinder in einigen Jahren, wenn sie selbst mehr wissen, bemerken, dass diese Väter ihnen zu einigen Punkten totalen Blödsinn erzählt haben – aber dann werden sie selbst schon groß und erwachsen sein und keine Probleme mehr damit haben. Aber in ihrer Kindheit hatten sie einen Vater, zu dem sie aufblicken konnten.Meine Kinder müssen damit leben, dass es sehr viele Fragen gibt, die ihr Vater nicht beantworten kann. Zum Beispiel standen wir vor Kurzem in Siziliens Süden an einem Strand, in dessen Rücken es einen kleinen Binnensee gibt. Man blickt also in der einen Richtung auf das große weite Meer, in der anderen auf diesen See, in dem Flamingos leben, ja-wohl, es ist ein sehr schönes Bild, Flamingos stehen einbeinig im Wasser, so was sieht man in Europa selten außerhalb eines Zoos.Luis fragte: »Können Flamingos eigentlich fliegen?«Ich sagte: »Ich weiß es nicht.«Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe noch nie einen Flamingo fliegen sehen, aber das muss nichts heißen, ich habe insgesamt überhaupt noch nicht viele Flamingos gesehen. Im Münchner Zoo stehen die Flamingos immer unter freiem Himmel; man möchte meinen, dass sie, wenn sie fliegen könnten, einfach abhauen würden, um auch mal woanders einbeinig im Wasser stehen zu können, im Starnberger See vielleicht. Andererseits hat man vielleicht diesen Zoo-Flamingos nur die Flügel gestutzt?»Weißt du eigentlich«, fragte Luis, »warum die Flamingos im Zoo im Winter in ein Haus gebracht werden?«»Weil es ihnen draußen zu kalt ist, vermute ich.«»Nein, weil sie sonst im Wasser festfrieren würden, wenn es kalt wird. Und dann würde der Fuchs kommen und sie fressen wie Eis am Stiel.«»Oder wie Stiel am Eis«, sagte ich. »Woher weißt du das?«»Wir hatten an Rudis Geburtstag eine Zoo-Führung, da hat uns der Wärter das erzählt.«»Kann es sein, dass er einen Scherz gemacht hat?«»Nein«, sagte Luis.Ich schwieg und stellte mir vor, wie hundert festgefrorene Flamingos sich angesichts einen nahenden Fuchses flügelschlagend in die Lüfte erheben, alle mit einem Bein in einer Eisplatte festgefroren und diese Eisplatte mit sich nach oben ziehend – um dann, wenn der Fuchs sich gerade direkt unter ihnen befindet, auf ein Kommando des Oberflamingos hin, alle Flügelbewegungen einzustellen und den Fuchs unter der niedersausenden Eisplatte zu zerquetschen.Dann stellte ich mir vor, dass Volkshochschulen Väterkurse anbieten könnten, in denen Männer während der Schwangerschaften ihrer Frauen eine allgemeine Grundbildung in Zoologie, Astronomie, Geografie und so weiter erhalten, um später den Fragen der Kinder gewachsen zu sein.Für mich käme es zu spät. Die Ferien in Sizilien haben mir bei Paola den Spitznamen Sergio eingebracht, weil ich, als das Zimmermädchen im Hotel fragte, ob sie unser Zimmer schon aufräumen könne, antwortete: »Si, Sergio.« (Sagen wollte ich »Si, certo«, das heißt »Ja, sicher«.) Und als mich Luis beim Essen fragte, was »Löffel« auf Italienisch heiße, antwortete ich: spumo.»Was?!«, rief Paola. »Was hast du gesagt?«»Spumo.«»Aber Löffel heißt cucchiaio.«»Und was heißt spumo?«»Das gibt es gar nicht. Allenfalls könnte es die Ichform von spumare sein, dann hieße es ›Ich schäume‹. Es würde sogar zu dir passen. Zu deinem cholerischen Charakter.«Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie ich auf spumo gekommen bin. Ich habe, wie gesagt, eigentlich von wenig wirklich eine Ahnung. Nennt mich Sergio! Oder Spumo! Oder Flamingo! Oder vergesst mich einfach!

Illustration: Dirk Schmidt