Vor einigen Monaten schrieb mir Frau L. aus München einen schönen Brief, in dem sie vom Urlaub in Kroatien erzählte. Ihr Mann habe dort ein Zeitungsgeschäft betreten und sei gleich, ohne dass er etwas gesagt hätte, von einer kleinen stämmigen Verkäuferin geradezu angeherrscht worden: »Studenza Zeitung!!?« Er bejahte verblüfft, ohne recht zu wissen, was denn eigentlich. Und erhielt sogleich eine Süddeutsche Zeitung ausgehändigt.
Was lernen wir daraus? Erstens werden offensichtlich unsere Leser überall sofort an ihrem ungewöhnlich intelligenten Gesichtsausdruck erkannt, und zweitens möchte man nun natürlich sofort wissen, unter welchem Namen dieses Blatt etwa im Kongo oder in Japan firmiert. Um entsprechende Einsendungen wird gebeten. In Kroatien jedenfalls, so Frau L., habe ihr Mann an jedem Kiosk die SZ problemlos bekommen, wenn er Studenza Zeitung verlangte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich der kleinen Liste von fünf mir unvergesslichen Zeitungsüberschriften, die ich vor einer Weile hier veröffentlichte, drei weitere hinzufügen.
Zypries will deutlich höhere Geldstrafen für Millionäre
So stand es, Leserin K. aus Fürstenstein zufolge, kürzlich in der Passauer Neuen Presse. Man fragt sich da natürlich, wie weit die SPD dem Lafontainismus noch entgegenkommen will: Wird demnächst Geldbesitz generell mit Gefängnis bestraft? Im Text der Meldung unter der Überschrift wurde die Sache dann dahingehend geklärt, dass es um Steuern hinterziehende Straftäter gehe – aber wer liest schon ganze Nachrichtentexte? Übrigens teilt Frau K. mit, in derselben Zeitungsausgabe habe es auch die erstaunliche Zeile Medikamente gegen Sex gegeben; es habe sich dann aber um einen Krankenpfleger gehandelt, der einer Drogenabhängigen Stoff besorgte und sich dafür mit Sex bezahlen ließ.
(Lesen Sie auf der folgenden Seite: "Schon wieder zwei Tote bei Petting")
Die Das-Beste-aus-meinem-Leben-Korrespondentin Professor Schmauks von der Arbeitsstelle für Semiotik an der TU Berlin teilt in diesem Zusammenhang mit, sie erinnere sich an eine Traunsteiner Zeitungsüberschrift aus den Siebziger Jahren:
Schon wieder zwei Tote bei Petting.
Das kommt aber nur dem Nicht-Chiemgauer seltsam vor, denn Petting ist ein hübscher kleiner Erholungsort am Waginger See.
Wundertrainer Ma liegt mit Gewissensbissen im Krankenhaus.
Dies sei, so schreibt Leser H. aus Hamburg, einmal die Zeile über einer dpa-Meldung gewesen, die von dem chinesischen Lauftrainer Ma Junren handelte, der vor vielen Jahren Weltrekordläuferinnen wie aus dem Nichts hervorbrachte und deren Erfolg mit gutem Training und der Verabreichung von Schildkrötenblut erklärte. Eines Tages musste Ma ins Krankenhaus und grämte sich, dass er seine Läuferinnen nicht betreuen konnte. So entstanden bei ihm Gewissensbisse; er glaubte seinen Athletinnen zu fehlen. Wobei ich es einfach eine wunderbare Vorstellung finde, dass Gewissensbisse so scharf und verletzend sein können, dass man ihretwegen eine Klinik aufsuchen muss. Wie viele Steuerhinterzieher kämen da wohl ganz zerbissen in die Notaufnahme?
Schweiz: Massnahmen gegen Schein- und Zwangsehen.
Dies fand ich auf einer Internetseite, die sich mit dem hochwichtigen Thema der Zwangsverheiratung von Frauen befasst. Aber so für sich genommen und leicht missverstanden, fragt man sich: Schein-Sehen? Zwang-Sehen? Das zwanghafte Fernsehen ist als Phänomen vielen Menschen bekannt, aber was ist Scheinsehen? Vorgetäuschtes Fernsehen, ja – aber warum? Um nicht reden zu müssen? Und was für Massnahmen ergreift man dagegen?
Leser W. aus Fürstenfeldbruck schickte mir übrigens eine Meldung aus dem dortigen Kreisboten, derzufolge Einbrecher aus einer Wohnung einen »Falschbildfernseher« entwendet hätten. Was, bitte, macht man denn mit einem solchen Gerät? Scheinsehen?
Zuletzt noch etwas aus dem Zeitungswesen, aber keine Überschrift. Frau G. aus München entdeckte im Januar in der Zeitung einen Aufsatz über zwei neue Ernst-Jünger-Biografien von Helmuth Kiesel und Heimo Schwilk. Das war ein längeres, kenntnisreiches Stück, in dem plötzlich folgender Satz vor dem Leser stand: »Bis heute gefällt sich der Pop-Diskurs mit abenteuerlichen Posen darin, diese alte Front auf kleiner friedlicher Flamme in immer neuen Schleifen nachzuplappern.«
Ah, ist das nicht wunderbar? Es ist zweifellos das, was die Fürstenfeldbrucker Ein-brecher sehen werden, wenn sie ihren Falschbildfernseher anknipsen.
Wo der Satz stand?
Pssst, Studenza Zeitung…
Illustration: Dirk Schmidt