Das Beste aus meinem Leben

Seit einer Weile versuche ich, weniger Auto zu fahren. Irgendwas muss ich zur Rettung des Weltklimas tun, wenn ich schon einen uralten Kühlschrank habe, der allein durch seinen Energieverzehr wahrscheinlich pro Jahr ein bis zwei Eisbären tötet. Da ich mich nicht entschließen konnte, mein Auto zu verkaufen, habe ich in den vergangenen Wochen in einem ersten Schritt zunächst versucht, mich wenigstens von meinen Autoschlüsseln zu befreien. Ich besitze zwei von ihnen. Oder: Ich besaß…

In einem ersten, auf Grund meiner Unerfahrenheit noch nicht ausgereiften Versuch, deponierte ich meinen Schlüssel an einem zunächst banal wirkenden Ort: dem Auto selbst. Das ging so: Ich war mit dem Wagen in die Berge gefahren, um zu wandern, allein. Auf dem Parkplatz stieg ich aus, schloss die Tür, öffnete die Heckklappe, entnahm meine Wanderstiefel, schloss schon mal die Zentralverriegelung mit der kleinen Taste auf dem Schlüssel, zog die Stiefel an, stellte meine Straßenschuhe in den Kofferraum und machte die Heckklappe zu. Als ich meine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach holen wollte, entdeckte ich, dass ich den Schlüssel im Kofferraum abgelegt hatte. Ich konnte ihn sehen, aber nicht mehr berühren. Der Wagen war dicht.

Ich rief mit dem Handy Paola in München an. Sie brachte Luis zum Bahnhof, der fuhr (mit dem zweiten Autoschlüssel in der Hosentasche) per Zug ins nächste Städtchen. Dort wartete ein Freund, nahm den Autoschlüssel, setzte Luis wieder in den Zug nach München und brachte mir den Schlüssel zum Parkplatz. Ich ging derweil wandern. Was sollte ich sonst tun? Natürlich dachte ich unterwegs über effektivere Wege nach, mich meiner Autoschlüssel zu entledigen.

Meistgelesen diese Woche:

Und ich fand sie, diese Wege.
Einige Tage später hielt ich mit dem Auto am Glascontainer, um Weinflaschen wegzuwerfen. Ich stieg aus, nahm die Flaschen aus der Tüte und warf sie nacheinander in den Container – und zwar mit der Hand, in der ich auch den Autoschlüssel hielt. Dabei fiel der Schlüssel mit in den Altglasbehälter.

Ich ging heim, um eine Schnur und den Magneten von Sophies Fisch-Angel-Spiel zu holen. Den ließ ich eine Weile im Container herumbaumeln, ergebnislos. Dann rief ich die Containerfirma an, um zu fragen, wann der Container geleert würde. Zufällig morgen, sagte man mir. Aufmerksam betrachteten der Containerwagenfahrer und ich dann die Flaschen, die aus dem Container in seinen Wagen schepperten. Den Schlüssel sahen wir nicht.

Damit hatte ich nur noch einen Autoschlüssel. Die Ferien standen vor der Tür. Wir verreisten, aber nicht mit dem Auto. Kurz bevor wir aus der Wohnungstür gingen, sagte ich zu Paola, ich würde jetzt den Autoschlüssel an entlegener Stelle verstecken, damit Einbrecher, wenn sie unsere Wohnung aufbrächen, nicht unser Auto stehlen könnten.

Dann versteckte ich den Schlüssel, an entlegener Stelle, wie gesagt.Als wir nach zwei Wochen zurückkehrten, sagte Paola, sie habe heute Abend noch eine Verabredung, ob sie den Autoschlüssel haben könne. Ja, sagte ich, ich müsse ihn nur kurz holen.

Aber ich fand ihn nicht. Nirgends. Ich konnte mich nicht im Geringsten erinnern, wohin ich den Schlüssel gelegt hatte. War ich durch zu viel Erholung verblödet? War ich, im Gegenteil, nicht mehr zur Erholung fähig, also durch zu viel Arbeit selbst nach dem Urlaub noch intellektuell total zerstört? War dieses Geschehen – schlimmste Variante! – im Freud’schen Sinne zu interpretieren: der Schlüssel als Synonym des männlichen Geschlechts? In jedem Fall war es ein Schritt nach vorn im Kampf gegen die Zerstörung des Weltklimas. Denn obwohl ich die ganze Wohnung durchsuchte: Das geheimnisvolle Versteck, in dem ich den zweiten Autoschlüssel vor den bösen Räubern in Sicherheit gebracht hatte, entdeckte ich nicht. Wir können nicht mehr Auto fahren.

Am nächsten Morgen rief Paola bei der Autofirma an. Man versicherte uns, es werde drei oder vier Tage dauern, dann hätten wir zwei neue Schlüssel.Mit denen werde ich aber auch noch fertig, so wie es aussieht.

Illustration: Dirk Schmidt