Man liest zur Zeit viel von der schwarzen Null, das hat mit dem Haushaltsplan des Finanzministers Schäuble zu tun: Muss er keine neuen Schulden aufnehmen, schreibt er eine schwarze Null. Muss er es wegen der Flüchtlinge doch tun, schreibt er keine schwarze Null. So einfach ist das.
Doch ist die schwarze Null von Geheimnissen umweht, schon allein – weil: Es gibt sie nur in Schwarz. Sehen wir einmal von dem berühmten österreichischen Erfrischungsgetränk Red Null ab, spricht niemand von einer roten, grünen, blauen Null. Auch gibt es die schwarze Null nur allein, im Singular, nirgends hört man von schwarzen Nullen, immer nur von Der Schwarzen Null. Das ist unheimlich, nicht wahr? Ohne weiteres könnte man sich Titel von Kriminalromanen vorstellen, die lauten: Maigret und das Geheimnis der schwarzen Null. Im Zeichen der schwarzen Null. Die Rache der schwarzen Null. Die schwarze Null mit der Maske. Und seltsamerweise lassen sich fast alle Titel von James-Bond-Filmen ins Null-Genre übersetzen: Nullen und nullen lassen. James Bond jagt Dr. Null. Nullfinger. Die Null, die mich liebte. Der Mann mit der schwarzen Null. Ein Quantum Null. Man lebt nur nullmal.
Gestatten, mein Name ist Null. Schwarze Null.
Werden wir alle eines Tages, wenn es mit uns zu Ende geht, durch eine riesige schwarze Null wie durch ein Tor schreiten müssen, auf den Lippen ein Gebet: … und vergib uns unsere Schulden? Durchforstet man die Nachrichten der vergangenen Wochen, Monate und Jahre, so erfährt man immer mehr über die schwarze Null. Gleichzeitig wird sie immer rätselhafter. Kaum forderte zum Beispiel die Tübinger Linke »Wir sind dagegen, diese Zahl in Beton zu gießen«, teilte die taz mit: »Lange schien die schwarze Null wie in Beton gegossen.« Schrieb die FAZ »Die schwarze Null steht«, las man im Bayernkurier: »Wackelt die schwarze Null?«
Auf Spiegel online hört man von Leser lemmy: »Die ›schwarze Null‹ wird wie eine heilige Kuh durchs Dorf gepeitscht auf dem Rücken aller kleinen Steuerzahler …« Auf tagesschau.de hingegen berichtete AlterSimpel: »Seit Jahren hat uns die Regierung die schwarze Null als etwas Gutes gepredigt, sie wird wie eine Karotte vor den Volkskarren gehängt.« Ja, auf hr-online erfuhren wir von Leser Suska: »Die ›Schwarzen Nullen‹ werden das Fass schließlich endgültig zum Überlaufen bringen.«
Kaum war dies geschehen, teilte schon Volker Wissing von der FDP mit: »Die Schwarze Null war von Anfang an auf Sand gebaut.« Dabei hatte doch die Berliner Zeitung eben berichtet: »Schwarze Null steht erneut auf dem Prüfstand.« Prüfstand, was heißt das schon in Volkswagenzeiten?!
Großes Rätsel: schwarze Null! Der hessische Finanzminister Schäfer ruft: »Die schwarze Null ist in Sicht.« Sahra Wagenknecht sagt: »Die schwarze Null ist eine Nebelkerze.« Auf der Internetseite der Ludwig-Erhard-Stiftung steht: »Die ›schwarze Null‹ hat auch ihre Schattenseiten.«
Es ist ein Wahnsinn! Man wird irre. Kann man mit der schwarzen Null alles machen? Sie peitschen, vor den Volkskarren hängen, in Beton gießen, auf Sand bauen, in Fässer werfen? In brandeins sagt der Chef einer Firma, die Traktoren herstellt: »Wir kratzen an der schwarzen Null.« Darf anscheinend auch jeder. Schwarze Null, Warze Schnull, Schnurzle Walz, Wullze Schnarz. Es hatte alles so schön begonnen, als der Erdinger Anzeiger im April 2009 ihre Geburt meldete: »Kreiskrankenhaus: Große Freude über Schwarze Null.« Schon im Juli las ich in der Rheiderland Zeitung: »Große Sorge um die schwarze Null.« Nun heißt es in der Zeit: »… hat die Bundesregierung ihre schwarze Null schon heimlich in einer stillen Zeremonie im engsten Koalitionskreis zu Grabe getragen.« Ihr zu Ehren wollen wir nun ein wenig schweigen.
Illustration: Dirk Schmidt