Manchmal liest man nun, wenn es um die aktuellen Debatten geht, die Ansicht, die CSU vertrete Positionen der AfD, und das sei doch furchtbar, und da könne man ja gleich …
Das kann man so sehen. Ich finde aber, man muss der CSU doch zugutehalten, dass sie nach der Lösung eines Problems sucht, das viele Bürger sehr bewegt. Ich fürchte zwar, sie macht das Problem eher noch größer, aber das ist hier nicht der wichtige Punkt. Das ist ein anderer: Die CSU ist eine Partei, die sich an die Grundsätze demokratischen Umgangs miteinander hält. Und das ist die AfD nicht.
Die AfD hat kürzlich – entgegen den Regeln, die im Bundestag gelten – versucht, eine Schweigeminute für die ermordete Susanna F. zu inszenieren, um diesen schrecklichen Mord (übrigens ist mir kein Mord bekannt, der nicht schrecklich wäre) für ihre Zwecke zu nutzen. Als Claudia Roth, die Vizepräsidentin des Bundestages, diesen Versuch – den Regeln des Bundestages entsprechend – unterband, ging von einer Internet-Seite der AfD-Fraktion eine möglicherweise ebenfalls inszenierte Kampagne aus, die in Kommentaren, Mails und Anrufen gipfelte, mit denen sie beleidigt, verleumdet und bedroht wurde. Sie selbst zitierte in einer persönlichen Stellungnahme den Satz: »Dich Vieh werden wir an Klavierdraht am Fleischerhaken hängen.« Ein Beispiel von offensichtlich Tausenden.
Man kann jetzt lange über die Ermordung von Susanna F. reden, über Asylpolitik und Migration, über das Versagen mancher Staatsorgane in diesem Fall. Das ist aber alles längst geschehen, dafür haben wir freie Medien, ein Parlament, Parteien.
Meine Frage ist eine andere: Sind wir so weit, dass wir eine solche massive Bedrohung einer Vizepräsidentin des Bundestages durch Verbalschlägertrupps als mehr oder weniger normales Ereignis hinnehmen? Als einen Shitstorm von so vielen? Achselzuckend im Grunde? Wie hätten wir vor zehn, zwanzig Jahren auf so etwas reagiert? Was hat sich da in unserem Zusammenleben verändert, ganz grundsätzlich? An welchem Punkt der Verrohung und der Gewöhnung daran sind wir angekommen, und wohin werden wir gelangen?
Ein Leser sagte mir kürzlich …
Oh, hatten Sie gedacht, Donald Trump würde nicht vorkommen? Nein, Donald Trump ist, wie John Oliver neulich in seiner Late Night Show aus demselben Grund sagte, the Forrest Gump of human misery, »der Forrest Gump menschlichen Elends«.
… Ein Leser sagte mir also kürzlich, ich solle mal wieder etwas Lustiges über Donald Trump schreiben, »diesen Clown«. Ich sagte, dass ich zwar schon öfter etwas halbwegs Lustiges über Trump geschrieben hätte, ihn aber nie für einen Clown gehalten habe und dass ich dies nun weniger denn je täte. Ihn so zu nennen, sei einerseits eine Beleidigung eines ehrbaren Berufsstandes, andererseits eine entsetzliche Verharmlosung dessen, was geschieht.
Vieh, Klavierdraht, Fleischerhaken. Ein amerikanischer Präsident, der immer schon ein Lügner war, lügt nun so unverschämt, dass er behauptet, Deutschland fälsche seine Kriminalitätsstatistik. Kinder wurden an der US-Grenze zunächst von ihren Eltern getrennt und eingesperrt, dann zusammen mit ihnen inhaftiert. Matteo Salvini prophezeite vor der Wahl in Italien eine »Massensäuberung«, man werde das »Straße für Straße, Platz für Platz, Viertel für Viertel« tun. Nun, als Innenminister, plant er eine Registrierung aller Roma. Was kommt als nächstes? Armbinden? Und dann …
Trump, die AfD, Salvini – es geht ihnen allen nicht um einzelne politische Positionen. (Zu vielen solchen Fragen hat die AfD ohnehin nichts zu sagen.) Nein, es geht ihnen um alles. Sie befördern das Verschwinden zivilisierten, menschlichen Umgangs miteinander, sie wollen ans Fundament unseres Zusammenlebens, sie sind auf dem besten Wege dahin. Das sollten wir endlich verstehen.