Als ich neulich Angela Merkel in einem ihrer Drei-Knopf-Blazer sah, dachte ich, wie sehr diese Jacke den Charakter einer Uniform angenommen hat: das charakteristische Kleidungsstück einer Staatsdienerin, die sich der Arbeit im Gemeinwesen verschrieben hat. Und wie es wäre, dachte ich, wenn mit der Wahl zur Kanzlerin oder zum Kanzler künftig das Tragen einer Kanzleruniform verbunden wäre, so wie der Sieger des Golf-Masters-Turniers in Augusta/USA ein grünes Sakko übergestreift bekommt, Bernhard Langer hat es zwei Mal getragen.
Wäre es nicht ein schöner Moment, wenn Angela Merkel ihrem Nachfolger (ob Mann, ob Frau – und: falls sie irgendwann tatsächlich Nachfolger haben sollte) einen ihrer orangefarbenen Blazer überziehen würde, als Erkennungszeichen der Kanzlerschaft? Es wäre 1998 auch lustig gewesen, Gerhard Schröder (1,74 Meter) im Sakko Helmut Kohls (1,93 Meter) oder von dessen legendärer Strickjacke verhüllt zur Regierungserklärung antreten zu sehen.
Aber das nur nebenbei.
»Ein unbeeindrucktes Selbstbewusstsein, eine gewisse Indifferenz gegenüber den Zurichtungen zur Weiblichkeit«, hat neulich die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken der Kanzlerin attestiert: Nur so sei vielleicht eine Frau den Deutschen als Herrscherin überhaupt erträglich, eher als Mutter also – während in England, als Theresa May Premierministerin wurde, auf der Titelseite der Sun ihre hochhackigen Schuhe (mit Leopardenmuster) zu sehen waren, daneben Gesichter von Parteifreunden und die Zeile Heel, Boys, wobei heel ebenso »Absatz« bedeutet wie »Bei Fuß!«. So viel Frau erträgt man in Deutschland nicht.
Hillary Clinton dürfte vom Typus her eher bei Angela Merkel liegen als bei Theresa May, aber was wirklich interessant ist: Dass sich die erste Frau, die das mächtigste Amt der Welt erreichen könnte, nicht mit einem richtigen Mann auseinandersetzen muss, sondern mit einer Witzfigur. Würde sich jemand für eine Komödie eine Figur ausdenken, mit der man das männliche Geschlecht so üppig wie möglich durch den Kakao ziehen könnte, es käme vielleicht ein Typ grell wie Trump dabei heraus.
Es muss einen nicht wundern, dass eine überwältigende Mehrheit der amerikanischen Frauen Trump ablehnt, was ihm, würde er dazu neigen, zu denken geben müsste, er hält sich doch für einen Frauentyp. Auf der Internetseite des Wahlforschers Nate Silver (sie heißt FiveThirtyEight, weil das Wahlgremium 538 Personen umfasst) kann man lesen, dass in der Wahlversammlung, würden ausschließlich Frauen am 8. November abstimmen, 458 Stimmen auf Hillary Clinton entfielen und nur 80 auf Trump. Ginge es hingegen nur nach den Männern, hätte Trump eine Mehrheit von 350 zu 188, ja, ist es denn zu fassen?!
Es müssen also die Frauen die Welt retten! Nichts zeigt mehr, wie sehr das männliche Geschlecht in Teilen der Welt am Ende ist, wie dringend es sich zur Ruhe begeben sollte und für die nächsten Jahrzehnte von Frauen regiert werden müsste, um sich der Selbstfindung zu widmen. Musste nicht Theresa May, eigentlich eine Brexit-Gegnerin, die Macht übernehmen, weil ein paar Typen auf dem Reife-Niveau von Achtjährigen in einer Art weltvergessenen Bubenspiels das Land an den Rand jeder Vernunft geführt haben? Hält nicht Russland die Welt in Atem, weil dessen Herrscher seine Unfähigkeit, das Land zu reformieren, mit der (nun in Kriegsverbrechen mündenden) Aggressivität eines jugendlichen Straßenschlägers kaschieren muss?
Im Grunde wäre es interessant zu sehen, was geschähe, würden die US-Männer, ihrem Willen gemäß, ab November für vier Jahre von Donald Trump regiert, die amerikanischen Frauen hingegen von Hillary Clinton. Ich verwette mein schönstes lila-weiß kariertes Sakko darauf, dass schon nach 14 Tagen Scharen von Männern um Aufnahme in die Frauenabteilung der USA bettelten, mittellos, hungrig, ungewaschen und mit der einzigen Bitte auf den Lippen, mal ein bisschen in den Arm genommen zu werden.
Illustration: Dirk Schmidt