Ja, ja, es tut mir leid, es tut mir leid, aber ich hatte jetzt eine Weile echt so viel um die Ohren, dass ich nicht dazu kam, das British Medical Journal zu lesen, und so ist mir entgangen, dass es dort einen interessanten Fallreport von Wanding Yang und ihren Leuten am Universitätskrankenhaus in Leicester gab. Dort wurde ein 34-Jähriger eingeliefert, der starke Schmerzen beim Schlucken hatte und kaum noch sprechen konnte. Man vernahm beim Abhören ein Rasseln in seinem Körper, stellte einen Riss im Schlund fest und entdeckte Luft in Gewebeschichten am Hals, wo Luft nicht hingehört. Der Mann musste sieben Tage bleiben, wurde über eine Sonde ernährt und mit Antibiotika behandelt, um Entzündungen zu vermeiden. Dann war alles wieder gut. Wie war der Mann zu den Verletzungen gekommen?
Die Antwort: Er hatte sich bei einem Niesanfall sowohl Nase als auch Mund zugehalten, was zu körperinternen Verheerungen führen muss, weil der Explosionsdruck nicht entweichen kann und die Eingeweide zerreißt. Jeder halbwegs gut ausgebildete Hypochonder kennt das nach einem niederländischen Arzt benannte Boerhaave-Syndrom, bei dem (meistens allerdings durch explosives Erbrechen) Risse in der Speiseröhre auftreten, was, wird nicht sofort operiert, meistens zum Tode führt. Ja, tut mir leid jetzt. Aber wenn ich gefragt werde, muss ich antworten, nicht wahr?
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: »Niesen ist so anstrengend, dass es sogar für kräftige Menschen eine Gefahr darstellt«, wie Robert R. Provine von der University of Maryland in seinem Buch Ein seltsames Wesen. Warum wir gähnen, rülpsen, niesen und andere komische Dinge tun schreibt. Provine zitiert Fälle von Sportlern, die nach unterdrückten Niesern mit Rückenzerrungen monatelang ausfielen, er erwähnt Bandscheibenvorfälle, Netzhautablösungen, Schlaganfälle, Fehlgeburten.
Ich selbst habe erlebt, dass Bruno, meinem alten Freund, als er Nase und Mund beim Niesen schloss, durch den körperinternen Druck sämtliche Haare samt Wurzeln raketenartig aus dem Kopf schossen, diesen für immer verließen und einige Meter im Umkreis sanft zu Boden sanken. Bruno hat seitdem eine Glatze und nicht nur das. Selbst seine Zehennägel wurden damals durch das Schuhleder hindurch ins Freie gedrückt, so heftig war die bis in die Fußspitzen dringende Detonation. Und übrigens war mein Großvater väterlicherseits, der seinen Niesern immer freien Raum gab, ein so berüchtigter Explosivpruster, dass er gelegentlich größere Bäume im Garten nur mit einem einzigen Nieser fällte, ja, einmal nieste er sogar eine Mercedes-Limousine, die seine Grundstückseinfahrt versperrte, einfach aus dem Weg.
Provine erwähnt, nebenbei gesagt, auch Autounfälle als Nies-Folge, wobei die damit zusammenhängen, dass man beim Niesen unwillkürlich die Augen schließt, warum eigentlich?
Er vermutet, man schütze so die Augen vor dem beim Niesen ausgestoßenen Körpermaterial, was ich nicht glaube. Dann müssten geschlossene Augen auch beim Husten zum motorischen Programm gehören; so ist es aber nicht. Provine machte ein Experiment und hielt sich bei einer nahenden Nies-Attacke die Augen mit den Fingern auf, mit einem verblüffenden Effekt. Das Niesen verebbte, bevor es ausbrechen konnte. Das könnte Beweis für eine Art Körperwissen sein: Niese ich offenen Lides, muss ich damit rechnen, dass mir die Augen herausfallen. Also lasse ich’s.
Trotzdem empfehle ich bei Selbstversuchen das Tragen von Hackes Niesbrille, die in den Laboren von Das Beste aus aller Welt entwickelt wurde: Mit ihr werden hervorploppende Augäpfel schon nach wenigen Zentimetern aufgehalten und durch eine Art Trampolineffekt in die Höhlen zurückgeschleudert. Sie befindet sich derzeit in der Markteinführungsphase.