Wie viele von uns wissen, manche aber auch nicht, handelt es sich bei Douglas Adams’ Romanreihe Per Anhalter durch die Galaxis um die weltweit einzige vierbändige Trilogie in fünf Teilen. Eoin Colfer hat ihr nach Adams’ Tod mit Erlaubnis von dessen Witwe einen sechsten Band hinzugefügt. In der fünften Folge dieses insgesamt, wie gesagt, sechsbändigen Dreiteilers – Einmal Rupert und zurück heißt sie – ist die Rede von der Lichtgeschwindigkeit und den Schwierigkeiten, »die sich bei dem Versuch ergeben, sie zu überschreiten«.
Was, wie jeder weiß, unmöglich ist.
Oder doch nicht?
Der Autor erwägt nämlich kurz die Möglichkeit, es könnte doch etwas schneller sein als Licht: schlechte Nachrichten, »die ihren eigenen, besonderen Gesetzen gehorchen«. Auf dem Planeten Archentzwoofl Minor hätten, schreibt er, die Bewohner deshalb versucht, Raumschiffe zu bauen, die von schlechten Nachrichten angetrieben wurden.
Problem, erstens: Sie funktionierten nicht besonders gut. Zweitens waren sie, »wo immer sie landeten, so extrem unwillkommen, dass es im Grunde völlig sinnlos war, sich überhaupt dort aufzuhalten«.
Allerdings stammen diese Erkenntnisse aus den Neunzigerjahren. Wir Heutigen wissen: Es gibt etwas, was noch schneller ist als schlechte Nachrichten. Und dies ist darüber hinaus dort, wo es ankommt, überhaupt nicht unwillkommen. Sondern es wird mit Interesse begrüßt.
Das sind erfundene Nachrichten. Fake News. Lügen.
Im Fachmagazin Science las ich von der größten Studie, die es zu diesem Thema je gab. Ein Team vom Massachusetts Institute of Technology untersuchte Twitter-Meldungen aus den Jahren 2006 bis 2017 auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Verbreitung unter den Menschen. Es kam zu dem Ergebnis: Ein unwahrer Inhalt hat gegenüber einer Tatsache eine um siebzig Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, weiterverbreitet zu werden. Dies geschieht sechs Mal schneller als bei wahren Mitteilungen. Und: Am besten funktioniert diese sich immer weiter beschleunigende Kettenreaktion bei politischen Themen.
Warum das so ist? Zwei Gründe nennen die Wissenschaftler: Erstens wirken Fälschungen oft neuer, quasi frischer als Wahrheiten. Zweitens berühren sie eher die Gefühle der Konsumenten, sie sind emotionaler. Genau an diesem Punkt erliegen ihnen, so heißt es in der Studie, oft auch Nutzer, die eigentlich an der Wahrheit interessiert sind: Emotionen sind stärker als jede Vernunft, und am Ende eines langen Tages, auch in der Hitze politischer Debatten, schwindet bei vielen die Kraft, sich für den Wahrheitsgehalt einer Twitter-Meldung zu interessieren.
»Da der Lügner ›Tatsachen‹ frei erfinden oder umgestalten kann«, schrieb Hannah Arendt schon 1967 in ihrem Essay Wahrheit und Politik, »hat er die Möglichkeit, sich nach dem zu richten, was seinem Publikum gerade gelegen kommt, oder auch einfach nach dem, was gerade zu erwarten steht. Auf jeden Fall wird das, was er vorzutragen hat, einleuchtender klingen, gleichsam logischer …« Die Verführungskraft der Lüge ist größer als die der Wahrheit. Und sie hat – das war zu Hannah Arendts Zeiten noch nicht so – mit den sogenannten sozialen Medien ein ideales Medium zur Verfügung, das, las ich in einem Artikel in The Atlantic über die Ergebnisse der zitierten Untersuchung, »nicht das Verhalten fördert, auf dem eine demokratische Regierung basiert«.
Die politische Lüge hat es immer schon gegeben, wird es auch immer geben, muss es vielleicht sogar geben, weil der Mensch mal ist, wie er ist. Neu ist, dass die Lügner nun in Fake-News-getriebenen Raumschiffen sitzen, die schneller sind als Licht. Und dass diese Raumschiffe funktionieren.
Leider ist das keine Geschichte vom Planeten Archentzwoofl Minor. Sie spielt hier.
Wir werden uns wohl etwas einfallen lassen müssen.