Keine Ahnung, wie lang mein Großer darauf gespart hat. Aber wenn man nach dem Preis für das Ding geht, sehr lang. Das Ding ist so ein schweres elektronisches Board, auf dem man breitbeinig draufsteht und durch leiseste Bewegung der Füße und Verlagerung des Gewichts nach vorn absaust. Direktemang an die Wand. Oder nach hinten, direktemang auf den Arsch. Oder im Kreisel, so dass man vor Panik abspringt wie aus einem Hexenkessel. Man bin natürlich ich. Mein Großer hatte es sofort raus. Als »man« habe ich auch immer noch nicht abgespeichert, wie das Ding nun heißt: Balanceboard, E-Scooter, E-Board, Hoverboard oder Segway ohne Haltegriff. Scheißteil jedenfalls. Glumpertes Scheißteil.
Dem Großen haftete es ab Kauf an den Füßen und dass er morgens wach war, merkte man am Surren, mit dem er sich von nun an auf dem Balanceding durch die Wohnung schwang. Vor, zurück, pendeln, surren, Kreis, pieppiep, swing und surrend pinkeln vorm Klo. Mit einer derart feinkalibrierten Balance, dass kein Tröpfchen daneben ging. Jedoch, das Gesurre währte nicht lang. Nach zwei Wochen hörte man das Kind morgens wieder aus seinem Zimmer tapsen. Mit hängenden Schultern. Ich nahm es nur am Rand meines Bewusstseins wahr. Mein Sohn verlor kein Wort.
Es ist ja so, wenn man etwas Geliebtes verliert, dann verdrängt man das. Als könnte man durchs Ignorieren der Tatsache, dass das glumperte Scheißteil in kürzester Zeit seinen Geist aufgab, sich nicht mehr bewegte und nur noch lichtmäßig schwach pulsierte - den Schmerz des Verlustes wegmachen. Eine Zeit lang stand es einfach rum. Als könnte es sich von selbst regenerieren. Bis die Supamudda sagte, du, komm, wir googeln mal!
Und zwar bei Youtube. Bei den Reparatur-Tutorials. Die Frau ist ja längst selbst und braucht überhaupt gar keine Handwerker mehr, nö pöh, und erst recht keine Werkstatt. Spülmaschinentrommel, Speedrouter, Fettfleck: alles lösbar per Tutorial! Youtube: »Hoverboard geht nicht mehr« – schwupps, erklärt uns ein junger Mann en detail, wie wir das Ding aufzuschrauben haben, abzudecken – und dann die vier Nippel rausziehen und wenn die länger als anderthalb Zentimeter sind, abschneiden! Dann geht’s wieder!
Wir machen das, parallel an beiden Rädern. Ich denke, kommt mir irgendwie unlogisch vor. Dass man Gummikontakte kappen soll. Weiß doch eigentlich jeder, dass man den Nippel nicht abscheiden, sondern durch die Lasche ziehen muss! Doch mein Großer schnippt beherzt ab. Ich erinnere mich, wie ich in seinem Alter um Stoffe herumschlich, die ich für meine Nähkünste abzuschneiden hatte. Wie mir der Schweiß auf die Stirn trat, aus Angst, ich könnte den falschen Cut machen. Und alles ist hin.
Wir schrauben das Ding wieder zusammen. Und jetzt tut es gar nichts mehr. Nicht mal blinken. Es stand dann noch mal mehrere Wochen herum. Der Vater fragte einige Male danach. Wir zuckten die Schultern, so schwach, bis er seine Frage wieder vergaß. Und es eines Tages packte und zu einer Werkstatt brachte. Nicht ohne mit extrem vorwurfsvollem Stirnrunzeln zu fragen: Mann!, was soll ich denn der Werkstatt sagen, wenn sie mich fragen, wie das kommen kann, dass die Nippel viel zu kurz sind? Da erwiderte ich: Guck dir den Werkstatttüftler bitte ganz genau an. Ich wette, das ist der aus dem Tutorial. Der hat so dunkle Haare, Pony und lispelte leicht. Und der wollte uns nur verarschen! Und in seine Werkstatt treiben!! So funktioniert das nämlich heute!
Nächstens werde ich berichten, was die Reparatur gekostet hat. Womöglich werde ich die Sache mit dem Preis von dem Ding aber auch stillschweigend ignorieren.
Foto: Promo