Ganz schön verändert

Kinofilme, Hörspiel-CDs, Bücher, Popsongs: An Deutschlands erfolgreichster Jugendserie »Bibi und Tina« kann man sehen, wie gutes Marketing funktioniert. Für Bibi und Tina selbst bleibt das nicht folgenlos.

Zwei Mädchen sind beste Freundinnen, lieben Pferde, erleben ein paar Abenteuer, singen und streiten ein bisschen mit hübschen Jungs und reiten schließlich zusammen in die Abendsonne. Klingt wenig spektakulär? Mag sein. Ist aber die Grundidee von »Bibi & Tina«, also der erfolgreichsten Jugendserie Deutschlands. Die Filme sind Kassenschlager, in den Geschäften biegen sich die Regale unter Hörspiel-CDs, Büchern und Computerspielen. Allein die bisherigen drei Filme lockten 4,5 Millionen Besucher ins Kino. Die Bibi-Blocksberg-Hörspiele verkauften sich fast 36 Millionen Mal. Jetzt kommt der vierte Film ins Kino, »Bibi & Tina – Tohuwabohu Total«.

Warum funktioniert das so gut? Ein Grund ist der Regisseur: Detlev Buck war nicht immer ein Blockbuster-Garant, er drehte ebenso Erfolge (»Männerpension«) wie Fehlgriffe (»Die Vermessung der Welt«). Aber er, der Vater von drei Töchtern – und also Bibi-Dauerhörer – war genau der Richtige, um aus der eher betulichen Serie das zu machen, was er selbst ein »Pop-Märchen« nennt. Er gönnte den Figuren mehr Farbe, stellte den Mädchen sportliche Jungs zur Seite und ließ sie moderne Popsongs singen, die auch das Zeug zum Charts-Hit haben. So verdoppelte und verdreifachte sich die Zielgruppe: Waren es einst eher die kleinen Mädchen, die Bibis Hexereien verfolgten, ziehen inzwischen auch die größeren mit, die durch die ersten Teenager-Jahre stolpern, über Freundschaften und erste Liebe nachdenken und in der selbstbewussten Bibi ein Role Model entdecken.

Dabei war die kleine Hexe Bibi mal eine ganz andere Art von Role Model, nicht bunt und tauglich für die Generation Casting Show, sonder 70er-Jahre-bewegt: Vor fast 40 Jahren erfand die Autorin Elfie Donnelly die Figur. Donnelly war eine junge Frau mit einem wilden Leben, viel zu früh Mutter geworden, wohnte sie als Baghwan-Anhängerin in Kommunen, heiratete den Löwenzahn-Moderator Peter Lustig, experimentierte mit jeder Art von Lebensentwurf. Ihre Bibi Blocksberg war dementsprechend erkennbar ein Kind der 70er Jahre. »Es war eine frauenbewegte Zeit«, sagt Donnelly, »ich habe Bibi immer als kleine emanzipierte Hexe gesehen.«

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Doch die kleine Hexe hat sich sehr verändert. Donnelly verkaufte die Rechte an der Figur und wurde reich. Aber was aus ihrer Bibi wurde, macht ihr heute keine Freude. Die Mädchen sind ihr zu stromlinineförmig – und mit den Pferden kann sie nichts anfangen. Und das Verhältnis zwischen ihr und der Firma, der sie einst die Rechte an ihrer Erfindung verkaufte, nun, das ist eine ganz eigene und ziemlich traurige Geschichte. Einst machten sie einander groß, heute streiten sie vor Gericht.

Mehr über das unglaubliche Leben der Bibi-Erfinderin Elfie Donnelly, die Ideen, mit denen Detlev Buck »Bibi & Tina« zum Kinoerfolg gemacht hat, und die wacklige Zukunft der Serie

Galoppierendes Fieber

Kaum eine Kinderserie ist so erfolgreich wie die Hörspiele und Filme rund um die Pferdemädchen Bibi und Tina. Die Geschichte dahinter handelt von einer Reihe genialer Entscheidungen - und einer traurigen Entfremdung.

Foto: dpa